Kolumne zum Tag

Odyssee am Rathausplatz

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Oder: Wie wir uns an einem verregneten Abend viermal die Hände desinfizierten.

Maske auf, Ticket scannen, Desinfektionsgel aus einem Spender pumpen. Wer in letzter Zeit eine Veranstaltung besucht hat, kennt das Ritual. Maske, scannen, pumpen: die heilige Dreifaltigkeit der Einlassmaßnahmen. Manche Veranstalter haben das perfektioniert, um auch größere Menschenmassen hygienisch durch ein Gelände zu lenken. Wenn dann aber gar keine Massen auftauchen, kann das recht skurril werden.

So wie neulich, bei Nieselregen am Filmfestival auf dem Rathausplatz. Der Plan: etwas essen, dann eine Opernaufzeichnung anschauen. Für die Gastrozone muss man sich registrieren. Eine freundliche Dame druckt uns eine Registrierungsbestätigung aus, scannt sie mit ihrem Tablet, schaut uns nach, wie wir uns die Hände desinfizieren und reingehen. Um rechtzeitig in unsere Loge einzuchecken, bevor die Reservierung verfällt, begeben wir uns gleich in Richtung Leinwand. Aber: Da ist kein Durchgang. Wir müssen einen Ausgang beim Marillenknödelstand nehmen (wo ein Kapuzenmann erneut unsere Registrierung scannt) und durch ein Parkbankspalier zur Filmzone. Wieder: Maske, scannen, pumpen.

Aber wir haben ja Hunger! An einem eigenen Ausgang für Leute, die gleich wiederkommen wollen, bekommen wir einen kleinen grünen Zettel, unser Wiedereintrittsticket. Desinfektionsgel gefällig? Belustigt folgen wir dem Parkbankspalier zurück zur Gastrozone. Blöd gelaufen: Der Kapuzenmann erklärt, sein Tablet kann uns nur auschecken, nicht einchecken, und wir hätten ja sagen können, dass wir zurückkommen, dann hätte er uns einen grünen Zettel gegeben. Aber jetzt müssen wir wieder zum allerersten Eingang am Ring.

Dort haben wir das Gefühl, die Komplexität des Universums ein Stück weit durchschaut zu haben. Grinsend kramen wir unsere Registrierung hervor. Maske, scannen, pumpen, wir sind absolute Profis. Wir hopsen direkt zum Marillenknödelstand. Maske runter, löffeln, Finger abschlecken: So keimfrei waren sie noch nie.

E-Mails an: katrin.nussmayr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2020)

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