Wiederaufbaufonds

Was bringen die EU-Anleihen?

EU-Anleihen würden aller Voraussicht nach ein Top-Rating bekommen, sagt Volkswirt Gerhard Winzer.
EU-Anleihen würden aller Voraussicht nach ein Top-Rating bekommen, sagt Volkswirt Gerhard Winzer.(c) Katharina F.-Roßboth
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An einer solidarischen Verschuldung der EU führe kein Weg mehr vorbei, meint Volkswirt Gerhard Winzer. Das hätte auch Folgen für den Anleihenmarkt.

Wien. Es war ein zähes Ringen, doch letztendlich konnten sich die Staatschefs der 27 EU-Mitgliedsländer auf ein Finanzpaket mit einem Rekordumfang von 1,8 Billionen Euro einigen. 750 Milliarden Euro davon entfallen auf den umstrittenen Wiederaufbaufonds. Als Zankapfel hatten sich dabei vor allem die nicht rückzahlbaren Zuschüsse erwiesen, denen einige Länder wie Österreich in der Fassung des ursprünglichen Entwurfs nicht zustimmen wollten. Doch schließlich wurden Kompromisse gefunden und die Zuschüsse von 500 auf 390 Mrd. gesenkt. Weitere 360 Mrd. Euro sollen zudem als Kredite vergeben werden.

Doch was bringt der hart umkämpfte Kompromiss? Die EU habe damit einen wichtigen Meilenstein gemeistert, sagt Gerhard Winzer, Chefvolkswirt der Erste Asset Management GmbH, im Gespräch mit der „Presse“. Mit dem Wiederaufbaufonds sei es gelungen, das Risiko eines Auseinanderbrechens der europäischen Staatengemeinschaft zu vermindern. Die Coronakrise habe in Teilen der EU tiefe Spuren hinterlassen und die wirtschaftlichen Divergenzen innerhalb der Mitgliedsländer verstärkt. Dies könne man nur mit solidarischer Hilfe bewältigen. Andernfalls könnte sich das Umfeld in der EU dramatisch verschlechtern, meint der Volkswirt und nennt als Beispiel Italien, wo ohne die dringend benötigte Hilfe – zumindest auf mittlere Sicht – ein Austritt aus der Eurozone zum Thema werde könnte. Das würde die gesamte Union auf die Probe stellen.

Erstmals gemeinsame Schulden

Wobei es gerade die umstrittenen Zuschüsse seien, die bei der Rettungsaktion eine besonders wichtige Rolle spielten, erklärt Winzer. Denn Italien – um bei diesem Beispiel zu bleiben – „hat bereits einen sehr hohen Schuldenstand“. 2019 lag dort die Staatsschuldenquote bei 134,8 Prozent des BIPs, heuer dürfte sie laut dem Internationalen Währungsfonds sogar auf 155,5 Prozent hinaufschnellen. Erhielte Italien nur Kredite und keine Zuschüsse, würde der Schuldenabbau angesichts der Wirtschaftskrise noch weiter erschwert.

Um den geplanten Wiederaufbaufonds mit den dafür benötigten Mitteln aufzufüllen, wird die EU-Kommission erstmals gemeinsame Schulden aufnehmen – ein bislang ebenso umstrittenes Vorhaben unter den Mitgliedsländern. Winzer steht jedoch auch dem positiv gegenüber. Damit würde die Währungsunion ein Stück näher in Richtung Fiskalunion rücken, mit entsprechenden Vorteilen, wie er sagt: „So könnten beispielsweise künftige Krisen weitaus rascher gemeistert werden, da die EU dann flexibler agieren kann.“ In dieses Konzept passen auch die Pläne für gemeinsame Steuern, etwa auf nicht wiederverwertbares Plastik, um die Rückzahlung der gemeinsamen Schulden zu stemmen.

Aber was bedeuten die EU-Anleihen für Anleger? Am internationalen Finanzmarkt dürften sie jedenfalls gut ankommen, sagt Winzer. Er erwartet, dass die Papiere von den Ratingagenturen die höchste Bonitätsnote – AAA – bekommen oder im schlechtesten Fall leicht darunter eingestuft werden. Im aktuellen Zinstief-Umfeld hätte das vor allem eine Auswirkung: „Die Renditen solcher Anleihen würden im Minusbereich liegen, so wie jene bei deutschen oder österreichischen Bundesanleihen“, erklärt Winzer. In einem solchen Szenario bekommen Schuldner paradoxerweise von ihren Gläubigern, den Bondkäufern, sogar noch Geld.

Gleich nach Bekanntgabe des Wiederaufbaufonds gab es allerdings auch sichtbare Folgen auf dem Markt für Eurostaatsanleihen. Vor allem die Kurse italienischer Staatsanleihen legten kräftig zu, womit wiederum die Renditen sanken. Denn je teurer eine Anleihe ist, desto weniger bleibt vom fixen Coupon übrig, was sich in einer niedrigeren Rendite ausdrückt. Mitte März, inmitten des Crashs, schnellte diese bei italienischen zehnjährigen Staatsanleihen auf rund 1,74 Prozent nach oben, da die Papiere kräftig an Wert verloren. Das Blatt hat sich nunmehr gewendet, inzwischen ist die Rendite unter ein Prozent gesunken.

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