Riccardo Muti (r.) mit dem Komponisten Carl Orff, 1977.
Salzburger Festspiele

Warum Muti nicht Karajans Thronfolger wurde

Riccardo Muti galt als Karajans logischer Nachfolger, in Salzburg. Doch die künstlerische Leitung der Festspiele übernahm er nie. Er war nicht der einzige Festspiel-Favorit, der nicht zum Zug kam. Das Spiel begann viel früher und war zu Zeiten politisch.

Mariä Himmelfahrt! Das war für Musikfreunde viele Jahre lang ein Feiertag, der zu einer Wallfahrt verlockte. Da dirigierte nämlich Herbert von Karajan die Wiener Philharmoniker in Salzburg.

Es waren in der Regel drei Konzerttermine, die der Maestro assoluto für das Festspielpublikum reservierte: Zwei Abende mit seinen Berliner Philharmonikern, die Jahr für Jahr Ende August quasi ihren vorgezogenen Saisonbeginn zelebrierten – mit Programmen, die sie danach auch in Berlin zum Besten gaben.

Und dann eben das eine, viel begehrte Konzert mit den Wiener Philharmonikern. Deren Auftritt am Marienfeiertag gehört heute noch zum Ritual. Und ebenso rituell lautet der Name des Dirigenten seit vielen Jahren Riccardo Muti.

Das ausverkaufteste Konzert. Das Konzert ist notorisch ausverkauft, es muss meist sogar dreimal rund um den 15. August gegeben werden. Dass es Mutis Erbpacht wurde, hat mit der Salzburger Festspielgeschichte zu tun und mit der Tatsache, dass viele Musikfreunde diesen Dirigenten für den legitimen Erben Karajans hielten.

Oder genau genommen für den Festspiel-Kronprinzen, der selbstverständlich ein Anrecht darauf gehabt hätte, die künstlerische Leitung der Festspiele zu übernehmen. Was wiederum nicht einmal nur etwas mit Karajan zu tun hatte. Es wurzelte tiefer in der Salzburger Tradition.

Es gab ja, was viele schon vergessen haben, nicht einen, sondern zwei Salzburger Regenten. Karajan, versteht sich, aber auch noch Karl Böhm, der seit den späten Fünfzigerjahren sozusagen naturgemäß das Salzburger Operngeschehen mitbestimmte.

Böhm galt als Sachwalter der Mozart-Spieltradition und war jedenfalls verbrieft einer der bevorzugten Uraufführungsdirigenten von Richard Strauss gewesen – immerhin einer der Festspielgründer . . .

Noch näher als Böhm, graben wir in unseren Betrachtungen ruhig noch ein wenig weiter zurück, stand Strauss übrigens Clemens Krauss. Ihn betrachtete er tatsächlich als seinen Kronprinzen, was das Festspielgeschehen betraf. Krauss war in seiner Zeit als Direktor der Wiener Staatsoper der rechte Mann, um fortzusetzen, was Strauss begonnen hatte: Opernaufführungen auf mustergültigem Niveau im Salzburger Sommer zu veranstalten, bei denen das Ensemble der Wiener Oper beweisen sollte, was es unter besten Bedingungen zu leisten imstande war.

Auf diesen Kurs versuchte Strauss seinen Adlatus Krauss einzuschwören. Das funktionierte ganz gut, solang die Politik nicht dreinpfuschte, wenn dieses harmlose Wort in Verbindung mit den Umstürzen der Dreißigerjahre überhaupt erlaubt ist. Doch es kam 1933, es kam die Berufung von Krauss ins nationalsozialistische Berlin – wodurch er in Österreich zur Persona non grata wurde. Und es ereignete sich im Gegenzug – und dieses Wort ist tatsächlich nicht falsch gewählt – ein einzigartiger Glücksfall für Salzburg.

Arturo Toscanini nämlich weigerte sich als glühender Antifaschist, nach Hitlers Machtübernahme noch bei den Bayreuther Festspielen aufzutreten. Er wählte Salzburg – und sorgte hier für vier kurze, aber weltweit beachtete Festspielsommer, für künstlerische Höchstleistungen, die erstmals wirklich aus aller Welt – Deutschland natürlich ausgenommen – Publikum anlockten. Die Festspiele wurden glamourös.

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