Während der Fokus zu Beginn der Coronakrise vor allem auf der älteren Risikogruppe lag, wird langsam sichtbar: Österreichs Jugendliche hatten und haben einiges zu stemmen. Home-Schooling, Hilfe im Haushalt, ein Mangel an Sozialkontakten lasteten auf ihnen – und ihre Stellung auf dem Arbeitsmarkt ist schlecht wie nie.
„Möglicherweise haben wir ein Problem mit dem Risikobewusstsein bei den Jungen.“ Rudolf Anschober (Grüne) hatte den Satz fast beiläufig bei einer Pressekonferenz Anfang August ausgesprochen. Eine Woche später, gestern dann, wählte der Gesundheitsminister drastischere Worte: „Wir beobachten eine völlige Verschiebung der Alterspyramide.“ Die Zahlen kennt man im Gesundheitsministerium dabei schon länger: Die Gruppe der 15- bis 24-Jährigen wurde über den Sommer zu jener mit den meisten Corona-Infektionen – nach den sogenannten mittelalten Skifahrern der Anfangswelle, die die Infektion aus dem Winterurlaub mitgebracht hatten. Der durchschnittliche Corona-Infizierte ist in Österreich aktuell 33,7 Jahre alt.
Anschober ist nicht der Erste, der auf das Phänomen hinweist. Weit vor ihm schon hatten Politiker und Kommentatoren in ganz Europa über die angeblich so verantwortungslose Jugend gepoltert. In Spanien ärgerte man sich, nach Monaten der sozialen Distanz, über ihre Feierlaune; in England appellierte die Stadtverwaltung von Preston an Jugendliche: „Don't kill granny.“ Bring Oma nicht um. Da war gerade bekannt geworden, dass in der Stadt die Hälfte aller Covid-Fälle Menschen unter 30 betrafen. Preston musste zurück in den Lockdown.
»„Wir beobachten eine völlige Verschiebung der Alterspyramide.“
Rudolf Anschober, Gesundheits- und Sozialminister, Die Grünen
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Auch in Österreich gab es zuletzt die Sorge, dass das Freizeitverhalten von jungen Menschen der Grund für den Anstieg in der Altersgruppe sein könnte. Allerdings wurden in Screening-Programmen auch viele Junge getestet – etwa im Tourismus –, was die Zahlen beeinflusst haben könnte. Dennoch: Oft sind es Jugendliche, die etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln die Maske lieber unterm Kinn platzieren. Manche haben das Gefühl, das Virus könne ihnen ohnehin nichts anhaben.