Meereswissenschaften

Das Wissen der Walfänger

Ohne über den Walfang früherer Zeiten Bescheid zu wissen, lässt sich eine Geschichte der Meereswissenschaften nicht erzählen. Ein Historiker macht sich auf die Spuren der Wale und der Jäger, die sie verfolgten und mehr über die Meere wussten als alle anderen.

Man kann den Walfang früherer Zeiten als eine Form der Jagd erzählen. Wurde auf hoher See von einem größeren Walfangschiff aus ein Wal gesichtet, wurden drei bis vier kleinere Fangboote mit je sechs Mann zu Wasser gelassen, die die Beute rudernd oder unter Segel verfolgten, unter den gebrüllten Befehlen des Steuermanns. Der Wal wurde frontal oder von hinten angesteuert und harpuniert. Sein Anblick bedeckte das gesamte Gesichtsfeld, mancher Neuling wurde in diesem Moment ohnmächtig. Das bedeutete aber noch nicht das Ende der Jagd, denn der Wal tauchte ab, während die kilometerlange Leine im Boot auslief, und drohte seinerseits seine Beute mitzuziehen. So musste das erschöpfte Tier neuerlich attackiert und, wenn möglich, tödlich verwundet werden. Die Fangboote legten da einige Distanz zurück. Schlug das Tier im Todeskampf um sich, war das lebensbedrohlich für die Jäger. Sie konnten versenkt werden. Es hieß: Mensch oder Wal. Man kann das in Herman Melvilles Klassiker „Moby Dick“ nachlesen.

Man kann die Geschichte des Walfangs aber auch ganz anders erzählen. Walfänger befuhren auf der Suche nach ihrer Beute im 19. Jahrhundert sämtliche Meere der Welt. Hinter ihnen, gleichsam „im Schlepptau“, eine Schar von Ozeanografen, Naturhistorikern und Zoologen, die die Erkenntnisse der Jäger verwerteten. Die Geschichte des Walfangs, so der Historiker und Kulturwissenschaftler Felix Lüttge in seinem neuen Buch „Auf den Spuren des Wals“, ist also nicht nur eine der Beutejagd, sondern auch eine Wissensgeschichte dieses Jahrhunderts, der Tiere und ihres Lebensraums, der Meere, die auf ihren Spuren durchfahren und vermessen wurden. Die Forschung verlagerte sich von den Akademien und Archiven auf die hohe See.

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