Kritik

Diese Geigerin lässt dem Tod keine Chance

Patricia Kopatchinskaja (Archivbild).
Patricia Kopatchinskaja (Archivbild).(c) imago/ZUMA Press (Leila Navidi)
  • Drucken

Jubel für Patricia Kopatchinskaja mit Ligeti und einer Collage über Schuberts „Tod und das Mädchen“.

Mahlers desperate Sechste, Beethovens die Menschheit umarmende Neunte, die Ruhepunkte und Einkehrangebote der Reihe „Fragmente – Stille“ und so weiter: In Zeiten wie diesen scheint ein Gutteil des Salzburger Festspielprogramms unmittelbar mit der Pandemie zu tun zu haben – oder hat sich nur die Sensibilität geschärft für die existenziellen Themen, die so viele Werke verhandeln? Bei Patricia Kopatchinskaja ging es ausdrücklich um Sein oder Nichtsein, um den „Tod und das Mädchen“.

In dem großartig herben Streichquartett D 810 macht Franz Schubert im langsamen Satz die Musik des Todes aus seinem gleichnamigen Lied D 531 zur Grundlage von Variationen. Wie einst Gustav Mahler hat auch Kopatchinskaja das Quartett für Streichorchester bearbeitet – ihre Version klingt mehr nach Mahler als dessen eigene: dramatischer, pathetischer, und das durchaus im guten Sinne. Chorisch aufgeführte Quartette gewinnen zwar an Wucht, verlieren jedoch zugleich an Konturenschärfe, wie man etwa an Beethovens „Großer Fuge“ studieren kann. Kopatchinskaja trat dem als Gast-Konzertmeisterin der Camerata Salzburg entgegen – mit einer Bühnenenergie, die sie als Schwester der Bartoli erscheinen ließ: Kein Wunder, dass das Orchester trotz voller Motivation manchmal hinterherhechelte. Nicht nur die geigerische Attacke und die Lust an der großen Geste, etwa durch impulsives Rubato, auch die Bearbeitung selbst lud diesen Schubert elektrisch auf. Solo- und Tuttipassagen sowie gemischte Kombinationen belebten das Klangbild, das nirgendwo auf Hochglanz poliert war: Der bloß schöne Ton, die fein modellierte Phrase, sie galten nichts, Expression war alles.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.