Kommentar

„Kaltblütiger Mord“: Schlagzeilen zum Fremdschämen

Champions League - Quarter Final - FC Barcelona v Bayern Munich
Champions League - Quarter Final - FC Barcelona v Bayern MunichREUTERS
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Zuspitzen ist eine Sache, hemmungslos und ohne Rücksicht auf die Gefühle der Menschen übers Ziel hinauszuschießen, eine andere.

„Das war kein Spiel, das war kaltblütiger Mord. Ein Mord, der absehbar und mit aller Härte der Welt unerbittlich war“, schreibt eine spanische Zeitung nach dem 2:8 von Barcelona gegen Bayern München im Viertelfinale der Champions League am Freitagabend. Wie bitte? Was ist denn das für ein unsäglicher Vergleich?  

Selbst denn, wenn man dem Sportjournalismus beim Bemühen von Metaphern und Analogien (warum auch immer) eine größere Freiheit zugestehen wollte als anderen Ressorts, ist das Bezeichnen eines Fußballspiels als „kaltblütiger Mord“ nicht zulässig. Was sollen sich denn die Angehörigen eines Mordopfers denken, wenn sie diese Schlagzeile lesen? Oder alle anderen Menschen, die sich in so eine Situation hineinversetzen können? Menschen mit Fantasie und Antizipationsvermögen. Menschen, denen passendere Gleichnisse für den Triumph Bayerns eingefallen wären als ein Mord. Oder für eine Überschrift, die zuletzt in einer türkischen Tageszeitung zu lesen war: „Schmerzhaft wie der Verlust eines Sohnes“. Anlass war der Siegestreffer eines vor Kurzem zum Stadtrivalen gewechselten Spielers im Derby. Das Gefühl nach einer Niederlage in einem Prestigespiel wird also mit jenem nach dem Tod eines Familienmitglieds gleichgesetzt. An Zynismus schwer zu überbietende Verspottungen von Hinterbliebenen und Pietätlosigkeiten, die in Zeitungen auf der ganzen Welt immer wieder vorkommen. Die beiden genannten sind nur zwei repräsentative Beispiele.

Schon klar, es ist „nur“ eine verknappte Schlagzeile und es geht „nur“ um Sportberichterstattung. Die Leser wissen das, sind mündig, reflektiert und nehmen nicht alles wörtlich. Das entbindet einen aber nicht davon, Grenzen des guten Geschmacks nicht zu überschreiten. Die überwiegende Mehrheit der Sportjournalisten ist sich dessen auch bewusst und würde nie auf die Idee kommen, solche Vergleiche anzustellen. Sie sind es, die sich in solchen Situationen am meisten für ihre Kollegen schämen.  

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