Belarus

Lukaschenko: Putin hat für Bedarfsfall Hilfe angeboten

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Knapp eine Woche nach der umstrittenen Präsidentenwahl haben sich die Proteste gegen Lukaschenko auch am Samstag fortgesetzt. Dieser forderte nun Hilfe vom russischen Präsidenten.

Inmitten der regierungskritischen Proteste in Weißrussland (Belarus) hat Russland der Regierung in Minsk nach Angaben des weißrussischen Präsidenten Aleksander Lukaschenko im Bedarfsfall Hilfe zugesagt. Der russische Präsident Wladimir Putin habe ihm versprochen, falls erforderlich dabei zu helfen, die Sicherheit von Belarus zu gewährleisten, zitierte die staatliche weißrussische Nachrichtenagentur Belta Lukaschenko am Samstag.

Er sagte den Angaben zufolge zudem, Arbeiter von staatlichen Unternehmen sollten gefeuert werden, sollten sie sich an Streiks beteiligen. Darüber hinaus wurde Lukaschenko mit den Worten zitiert, er sehe in den NATO-Militärübungen in Polen und Litauen einen Aufbau von Waffen.

Lukaschenko droht Demonstranten

Knapp eine Woche nach der umstrittenen Präsidentenwahl hatten sich die Proteste gegen Lukaschenko auch am Samstag fortgesetzt. Landesweit gingen die Demonstranten in etlichen Städten auf die Straße. Die größte Menschenmenge versammelte sich in der Hauptstadt Minsk und gedachte eines Demonstranten, der bei einer Protestaktion getötet worden war.

Unterdessen ließ sich der Präsident des Rückhalts im Moskauer Kreml versichern. Zugleich drohte er den Demonstranten. In dieser Woche war die Polizei schon teils sehr brutal gegen sie vorgegangen, mindestens 7000 Menschen wurden nach Behördenangaben festgenommen.

Lukaschenko, der das Land seit einem Vierteljahrhundert mit harter Hand regiert, hatte sich zum sechsten Mal in Folge als Wahlsieger ausrufen lassen. Viele Menschen und auch ausländische Beobachter bezweifeln das aber und halten Swetlana Tichanowskaja für die eigentliche Gewinnerin. Die Oppositionspolitikerin hatte aus ihrem Exil im EU-Land Litauen zu neuen Massenaktionen aufgerufen.

Die EU hatte am Freitag Sanktionen gegen jene Personen auf den Weg gebracht, die für die mutmaßliche Fälschung der Wahl und die Niederschlagung von Protesten in den Tagen darauf verantwortlich gemacht werden. Ein EU-Diplomat hatte im Vorfeld gesagt, man müsse Druck auf Lukaschenko ausüben, ohne ihn weiter in die Arme Russlands zu treiben.

Das Außenministerium in Minsk erklärte örtlichen Medien zufolge, Weißrussland wolle den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen, auch wenn es nun schwierig sei, den Dialog fortzusetzen. Lukaschenko lehnte es zudem ab, dass das Ausland in seinem Land vermitteln könnte. Offen war, ob die EU-Strafmaßnahmen auch Lukaschenko direkt treffen werden.

Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen riefen Lukaschenko zu Neuwahlen auf. Unter Beteiligung internationaler Beobachter sollten auf transparente Weise freie und faire Präsidentschaftswahlen durchgeführt werden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der drei Regierungschefs.

„Destruktive Kräfte“ 

Am Freitag waren mehr als 2000 festgesetzte Demonstranten freigekommen. Angaben zu weiteren Freilassungen lagen am Samstag zunächst nicht vor. Viele Betroffene berichteten von Misshandlungen im Gefängnis. Demonstranten zeigten bei den Kundgebungen am Samstag Bilder von Verletzungen am Körper, etwa große Blutergüsse.

Lukaschenko sieht die Proteste nicht nur als "Bedrohung" für Weißrussland, sondern auch für Russland. "Ich möchte sagen, dass die Verteidigung von Belarus heute nicht weniger ist als die Verteidigung unseres gesamten Gebiets, des Unionsstaats", sagte der 65-Jährige der Staatsagentur Belta zufolge.

Erstmals seit der Wahl am Sonntag telefonierte Lukaschenko mit Kremlchef Putin. Lukaschenko sagte danach, Russland werde auf seine Bitte hin "umfassende Hilfe" leisten, um die Sicherheit zu gewährleisten. Moskau hatte zuvor nichts von einer möglichen Unterstützung mitgeteilt.

Der Kreml teilte danach lediglich mit, beide Seiten seien zuversichtlich, dass die Probleme bald gelöst werden. Sie sollten nicht von "destruktiven Kräften" ausgenutzt werden, um die Zusammenarbeit beider Länder zu beinträchtigen. Belarus ist wirtschaftlich von Russland abhängig.

Minsk hatte am Freitag 33 russische "Söldner" freigelassen, die nach Darstellung der Behörden Unruhe vor der Wahl stiften wollten. Die Ukraine ist wegen der Freilassung nun verärgert, weil sie selbst gegen einige Männer ermitteln wollte. Der Vorwurf: Sie sollen im Konflikt in der Ostukraine die Separatisten unterstützt haben.

Eine Revolution wie 2014 im Nachbarland Ukraine will Lukaschenko mit allen Mitteln vermeiden. "Wir lesen bereits die Anleitungen für eine farbige Revolution", behauptete er. "Wir dürfen uns nicht von den friedlichen Aktionen und Demonstrationen einlullen lassen", so der Staatschef, der auch als "letzter Diktator Europas" gilt. Er verwies erneut auf die Stärke seines Militärs, ohne aber mit einem Einsatz direkt zu drohen - anders als noch im Wahlkampf.

Das Ausland, aber auch Künstler, Kirche und Musiker in Belarus selbst riefen den Staatsapparat zum Gewaltverzicht auf. Die weißrussische Rockband BI-2 etwa schrieb bei Telegram: "Leute, hört endlich auf, Eure eigenen Leute zu schlagen."

In den Staatsbetrieben legen immer mehr Mitarbeiter aus Wut über das Vorgehen der Behörden die Arbeit nieder. Das könnte die Wirtschaft des Landes schwer schaden. Lukaschenko wird deshalb nicht müde, genau davor zu warnen. Am Montag will er den staatlichen Lastwagen-Bauer besuchen, wie er ankündigte.

Sonntagmittag sollen die Staatsbediensteten für Lukaschenko auf die Straße gehen - zwei Stunden früher, als die Menschen, die den Staatschef nicht mehr als ihren Präsidenten sehen möchten.

Sie versammelten sich auch am Samstag zum friedlichen Protest - den sechsten Tag in Folge. Sie bildeten Menschenketten, ließen Luftballons aufsteigen und zogen mit Blumen in den Händen durch die Straßen. Viele forderten auch Gespräche mit örtlichen Bürgermeistern ein. Die Polizei hielt sich anders als zu Beginn der Proteste zurück.

„Belarus begräbt heute seinen Helden"

Emotionale Szenen spielten sich bei der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten in Minsk ab. Menschen knieten an der Unglücksstelle nieder und zündeten Kerzen an. "Belarus begräbt heute seinen Helden", meinte ein Demonstrant in einem Video im Nachrichtenkanal Telegram.

Neue Bilder lassen Zweifel aufkommen, ob der 34-Jährige tatsächlich durch einen eigenen Sprengsatz ums Leben kam, den er auf Sicherheitskräfte schleudern wollte, wie die Behörden behaupten. Ein Augenzeuge sagte dem Portal tut.by, der Mann sei am Montag auf die Polizisten zugelaufen, es habe keine Explosion gegeben. Fotos, die den Mann zeigen sollen, legen nahe, dass er angeschossen wurde.

(APA/DPA)

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