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Ein Drogenfahnder packt auf Amazon aus

(c) Courtesy of Amazon Studios (Courtesy of Amazon Studios)
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Die Miniserie „The Last Narc“ lässt Augenzeugen die Geschichte hinter dem brutalen Mord an einem US-Agenten erzählen.

Hector Berrellez, ein bärtiger Mann über siebzig, sitzt in einer schummrigen Kneipe, auf der Theke vor ihm liegt ein weißer Cowboyhut. Der ehemalige verdeckte Drogenfahnder wirkt in dem Setting wie eine Figur aus einem Westernfilm. Mit viel unterstützender Gestik plaudert er aus dem Nähkästchen, erzählt von seiner falschen  Identität als „Manny“, mit der er das Vertrauen der Dealer gewann, um sie anschließend zu verhaften. Er bezeichnet sich selbst als Adrenalinjunkie; manche der Gauner habe er mehr gemocht als seine Arbeitskollegen.

Berrellez hat in der neuen Miniserie „The last Narc“ eine Mission: die Aufklärung des Mordes an Enrique „Kiki“ Camarena, der wie er als Agent für die USA arbeitete. In Guadalajara, dem damaligen Sitz eines der mächtigsten Kartelle Mexikos, gelangte Camarena 1985 an Informationen, die ihn nicht nur zur Gefahr für die Drogenbarone, sondern auch für die  korrupte mexikanische Regierung machten. Illegaler Drogenhandel war in den 1980ern in Mexiko an der Tagesordnung, besonders in Grenzgebieten zu den USA. „See it in the headlines/You hear it every day/They say they're gonna stop it /But it doesn't go away“: Mit passenden Songs wie Glen Frey’s Smuggler Blues untermalt die Miniserie „the last Narc“ Zeitungsartikel mit ausgeblichenen Bildern von übel zugerichteten Leichen und gestapelten Kokainpäckchen.

Der Reiz echter Helden und Ganoven

Was dabei fehlt, ist Aktualität. Wieder und wieder bleibt die Kamera an verblichenen Fotos der mächtigen Drogenbosse hängen. Idyllische Landschaftsaufnahmen, alte Musik und unscharfe Ausschnitte aus Nachrichtensendungen schaffen eine beinahe unbeschwerte nostalgische Atmosphäre, ähnlich der Weltordnung, die man aus Westernfilmen kennt: rau, spannend und brutal, mit echten Helden und Ganoven. Mit Berrellez bekommt die Dokumentation einen charismatischen Erzähler, dem man die wilden Geschichten seiner Agentenkarriere gerne abkauft. Seine pathetische Ankündigung „Ich will, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Es ist an der Zeit. Und wenn ich dafür sterben muss, dann ist das Gottes Wille“, suggeriert jedoch, dass die Ermittlung sich bis in die Gegenwart zieht und demnach neue Erkenntnisse zu erwarten sind. Das aber ist in „The last Narc“ nur in begrenztem Ausmaß der Fall.                                                                        

Denn der Stoff ist nicht neu, in der Netflix-Serie „Narcos: Mexico“ wurde der Mord und seine Auswirkungen bereits aufgegriffen, ebenso wie im Thriller „Tage der Toten“ von Don Winslow. Was also war der Impuls für die Miniserie? Die Beliebtheit des True-Crime-Genres mag den Versuch einer Dokumentation ohne durch Schauspieler nachgestellte Szenen erklären - zumal die Serie vor allem durch die natürlichen, teils skurrilen Persönlichkeiten der Zeugen und ihre lebhaften Erzählungen  funktioniert.

Jorge Godoy, ursprünglich mexikanischer Polizist, war im Auftrag der Drogenbosse selbst an der Entführung beteiligt. Das Erlebte scheint ihn auch nach all den Jahren noch zu beschäftigen. Mit Polizeiweste sitzt er in einem schäbigen Zimmer, in seinem pockennarbigen Gesicht spiegeln sich Grauen und Schuld. Stockend und mit aufgerissenen Augen erzählt er von den Geistern, die ihn seit seiner Zeit als Leibwächter der Kartelloberhäupter verfolgen. Dabei wollte er sich doch immer für Gerechtigkeit einsetzen, ein guter Polizist sein.

Vertuschte US-Regierung aus Angst?

Auch Camarena hatte immer das Bedürfnis, das Richtige zu tun, erzählt seine Frau Geneva. Auf einer Bank in einer leeren Kapelle beschreibt sie sichtlich ergriffen, wie sie die Tage von Kikis Entführung bis zur Auffindung seiner Leiche erlebt hat, wie ihre kleinen Kinder in der Zeitung von der brutalen Folter und dem Verhör ihres Vaters erfuhren. Noch heute fühlt sie sich im Stich gelassen von der US- Regierung, die aus Angst vor den Ausmaßen des Falles, dessen schmutzige Spuren sich von den mexikanischen Kartellen bis zu hohen Politikern Mexikos und der USA zogen, die Ermittlungen einstellte.

Für Berrellez ist der Fall Camarena damit nicht abgeschlossen. Bis heute, so wird es in der Serie präsentiert, versucht er die ganze Wahrheit herauszufinden und die Schuld der am Mord Beteiligten zu beweisen. Die telefonische Warnung eines anonymisierten Insiders in der letzten Folge, die Nachforschungen zu seinem eigenen Schutz abzubrechen, nimmt er als Anlass für weitere Ermittlungen - und so findet das Verbrechen zuletzt doch noch eine Verbindung zur Gegenwart.

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