Was beim Bierverkaufen alles schiefgehen kann.
Es war wohl heiß in Kärnten. Es war langweilig. Die Geschäftsleitung saß schwitzend beisammen und brütete lustlos über den Verkaufszahlen. Die Geschäfte dümpelten dahin, Bier wird ja immer getrunken, aber ein bisserl mehr geht immer.
Wie wär's mit einer richtig superen Werbekampagne?, muss da einer in die Runde gerufen haben. Sexy, mutig, neumodisch, etwas für die jungen Leute? Hm, murmelte man und brütete noch angestrengter. Und dann fiel einem etwas ein. Eine nackte Frau! Dass wir darauf nicht früher gekommen sind! Wie sexy! Wie mutig! Wui!
Kaum war dieser noch nie zuvor gedachte Gedanke ausgesprochen, ging ein Ruck durch die Runde, sirrende Kreativität ließ den Tisch erzittern, und die Ideen überschlugen sich. Jung muss die Frau sein!, rief einer. Fesch aber bitte auch!, forderte ein zweiter. Gut frisiert, und rasiert unter den Achseln! Blond vielleicht? legte der Juniorchef eifrig nach; er wollte auf der sicheren Seite sein. „Dunkel“, widersprach sein Vorgesetzter, ehe ihm der Patriarch mit einem „Rothaarig!“ barsch das Wort abschnitt.
Das muss der Moment gewesen sein, in dem man einstimmig beschloss, eine professionelle Agentur mit der Detailausarbeitung der neuen Hirter-Kampagne zu beauftragen.
In dieser Agentur wird sich ein Mitarbeiter an „Drei Engel für Charlie“ erinnert haben. Oder an die 30 Jahre alte VHS-Kassette mit dem Softporno, die zu Hause noch irgendwo ganz unten im Fernsehschrank herumkugelte. Und skizzierte mit zügigen Strichen die Lösung des Geschäftsleitungsdilemmas aufs Flipchart: Wir nehmen nicht eine nackige Frau, sondern gleich drei nackige Frauen! Alle jung, alle fesch, nur die Haare färben wir verschieden, dann ist für jeden das Richtige dabei!
Das Ergebnis dieses Funken sprühenden Kreativprozesses ist derzeit auf Plakaten in ganz Österreich zu sehen. Man wolle mit den Bildern „neue Käuferschichten ansprechen“, sagt die Firma. Wen sie da wohl im Sinn hat? Ältere Männer, die sich selig an ihre große Zeit in den verklemmten Fünfzigerjahren erinnern? Deren größte tägliche Freude darin besteht, mit feuchten Fingern bis zu den Kontaktanzeigen der „Krone“ zu blättern? Männer, die über jene Art Witze lachen, in denen stets eine brünette und eine rothaarige Frau vorkommen, aber erst bei der blonden kommt die Pointe? Aber: Trinken die nicht eh schon genug Bier?
Hirter Bier wolle „kein reines Männergetränk“ mehr sein, sondern auch etwas „für Frauen, die Geschmack, Charakter und Exklusivität schätzen“, heißt es auf der Homepage der Firma. Das klingt herzig. Denn selbst Geschäftsführer Dietmar Kert gibt zu: „Wir haben das Problem, dass wir eine jüngere Zielgruppe nicht ansprechen.“
Ganz im Vertrauen, Herr Kert: Angesichts Ihrer Plakate wundert uns das jetzt eigentlich gar nicht so sehr.
Sibylle Hamann ist Journalistin in Wien.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2010)