USA/China

Trump heizt digitalen Kalten Krieg an

WeChat wurde 2011 von Tencent entwickelt und ist unter Chinesen – auch im Ausland – sehr beliebt.
WeChat wurde 2011 von Tencent entwickelt und ist unter Chinesen – auch im Ausland – sehr beliebt.APA/AFP/GREG BAKER
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Der US-Präsident will Amazon-Rivalen Alibaba in den USA verbieten lassen. Nach TikTok und WeChat ist das die dritte Kampfansage an China.

Washington/Peking. China ist offenbar ein dankbares Wahlkampfthema. Und so verkündete US-Präsident Donald Trump am Wochenende Folgendes: Er prüfe ein Verbot des chinesischen Technologie-Giganten Alibaba in den USA. Trump nimmt damit ein weiteres chinesisches Unternehmen ins Visier – diesmal den Amazon-Rivalen Alibaba. Zuletzt das Tencent-Unternehmen WeChat und die chinesische Videoplattform TikTok. Sie alle sollen in den USA verboten werden.

Bei TikTok hat Trump am Wochenende sogar einen Zahn zugelegt. Da ordnete er an, dass sich der Mutterkonzern ByteDance binnen drei Monaten von allen Daten von US-Nutzern trennen müsse. Auch dürfe ByteDance in den USA kein Eigentum mehr besitzen, das für den Betrieb von TikTok genutzt werde. Trump hatte bereits unter Verweis auf die Datensicherheit Geschäfte von US-Amerikanern mit TikTok untersagt, den Vollzug der Verfügung allerdings bis Mitte September ausgesetzt. Wenn sie greift, würde das bereits das Ende der App in den USA bedeuten.

Die Regierung in Washington warnt schon länger, über TikTok könnten Daten von US-Amerikanern in die Hände chinesischer Behörden geraten. TikTok versichert, die chinesische Regierung habe keinen Zugriff auf Nutzerdaten und habe dies auch nie verlangt. Die Daten von US-Nutzern würden in den USA gespeichert und verarbeitet.
TikTok und Alibaba sind die prominentesten Angriffsflächen im digitalen Kalten Krieg. Alibaba kommt zwar an die Marktmacht von Amazon nicht heran, das Unternehmen ist bloß in China Marktführer. Doch das soll sich laut Alibaba ändern. In Europa hat die Expansion bereits begonnen.

TikTok und WeChat beliebt

Der Videodienst TikTok hingegen gilt bereits als beliebteste App weltweit – allein in den USA verfügt TikTok bereits über 100 Millionen meist jugendlicher Nutzer. TikToks Mutterkonzern ByteDance wird auf über 50 Mrd. Dollar geschätzt. Und doch wiegt das drohende WeChat-Verbot für China schwerer: In den USA leben rund viereinhalb Millionen Menschen, die sich als chinesischstämmig definieren. Fast alle von ihnen nutzen die App, um mit ihren Verwandten und Freunden in Ostasien zu kommunizieren oder Geld zu überweisen. Wenn dies nicht mehr möglich ist, dann wären die zwei Weltmächte einen Schritt weiter auf dem Weg zur digitalen Entkopplung.

Die vom Internetgiganten Tencent entwickelte Hybrid-Plattform startete 2011 als reine Chat-App fürs Smartphone. Längst jedoch vereint sie praktisch alle erdenklichen Funktionen: Mithilfe des integrierten Zahlungsprogramms werden per WeChat Supermarktkäufe bezahlt, Essenslieferungen geordert, Stromrechnungen beglichen, Krankenversicherungen abgeschlossen oder in Aktien investiert. „Chinesen können ohne WeChat nicht mehr leben“, sagt eine über den digitalen Alleskönner.

Auch wenn Washingtons Kampfansage an chinesische Apps vor allem gewöhnliche Bürger trifft, gibt es freilich berechtigte Gründe, WeChat und Co. im Zaum zu halten: Da chinesische Apps den Gesetzen der Kommunistischen Partei gehorchen, unterminieren sie die öffentliche Meinungsfreiheit. Wer WeChat nutzt – auch im Ausland –, unterstützt indirekt die politische Zensur der chinesischen Staatsführung. Gleichzeitig sind die Nutzerdaten im Zweifelsfall nicht sicher: Der Staat liest mit, nutzt die digitale Überwachung auch bei der Unterdrückung von Dissidenten.

US-Konzernchefs warnen

Allerdings: Trumps Vorschlag trifft auch US-Unternehmen – insbesondere den Apple-Konzern: Wenn Apple gezwungen werden sollte, WeChat aus seinen App-Stores zu nehmen, könnten die Smartphone-Verkäufe in China laut Schätzungen um bis zu einen Drittel sinken. Ford, Apple, Disney und eine Reihe weiterer Firmen haben ihren Präsidenten vergangene Woche in einer Telefonkonferenz darum gebeten, die Entscheidung gegen WeChat noch einmal zu überdenken. „Wer nicht in China lebt, kann nicht verstehen, welch weitreichende Auswirkungen es hat, wenn amerikanische Firmen WeChat nicht benutzen dürfen“, zitiert das „Wall Street Journal“ Craig Allen, Präsident des US-China Business Council. (red./kre)

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