Kolumne „Führungsfehler". Ein Verlag, der zu Recht stolz auf seine Effizienz und seinen Automatisierungsgrad war. Doch manchmal schoss er übers Ziel hinaus.
Automatisieren, was nur geht – das war die Devise. Im Verlag (nein, es geht weder um „Die Presse“ noch um den Styria-Verlag) ging tatsächlich sehr viel. Freie Autoren etwa gaben ihre Beiträge nicht mehr per Mail ab, sondern stellten sie über ein eigenes Portal direkt ins Layout ein. In der richtigen Formatierung, in der richtigen Länge. Wunderbar, das spielte die internen Lektoren von vielen Routinetätigkeiten frei.
War ein Beitrag veröffentlicht, kreierte das System eine automatische Mail an den Autor: „Ihr Beitrag ist veröffentlicht. Danke für Ihre Arbeit.“ Solche Mails hatte es auch früher gegeben. Damals war das ein Freitext. „Super Artikel“, schrieben die Lektoren dann etwa, oder „Sehr gut recherchiert“. Was ihnen eben besonders aufgefallen war.
Irgendwann wurde stillschweigend auch dieser Teil automatisiert. Gaben die Lektoren nun einen Artikel frei, ging automatisch die Standardmail an den Autor. Die Lektoren kannten sie nicht einmal. Niemand dachte sich etwas Böses.
Die freien Autoren wussten nichts von der Standardmail. Sie registrierten nur den veränderten Tonfall. Kein Lob mehr, schlussfolgerten sie, also war meine Arbeit diesmal wohl nicht gut.
Das nächste Mal auch nicht.
Das übernächste Mal auch nicht.
Sie begannen an sich zu zweifeln. Sie kannten einander nicht, konnten sich auch nicht austauschen.
Bis sich einer ein Herz nahm und seinen Lektor fragte, warum man denn mit seiner Arbeit nicht mehr zufrieden war. Überraschung auf der anderen Seite: Im Gegenteil, man schätzte sie sehr. Wie er auf diese Idee kam?
So klärte sich alles auf. Die Lektoren sprachen bei der Bereichsleitung vor, sie wollten wieder ein persönliches Feedback schreiben. „Das kostet uns zwei Minuten Arbeitszeit pro Auftrag“, rechnete ihnen der Bereichsleiter vor.
Rein rechnerisch hatte er Recht.
Rein menschlich nicht.
Das Management. Unendliche Möglichkeiten für Führungs- und andere Fehler. Wenn Sie einen solchen loswerden wollen, schreiben Sie an: andrea.lehky@diepresse.com
Ähnlichkeiten mit realen Personen und Unternehmen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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