Der Autokrat ist geschwächt: Ganze Berufsgruppen kündigen die Gefolgschaft. Doch der Sicherheitsapparat steht noch hinter Lukaschenko.
Moskau/Minsk. Von der einstigen Popularität des „Landesvaters“ Alexander Lukaschenko ist nicht mehr viel übrig. Ein Großteil der Bürger lehnt „Lukaschescu“ ab, wie Lukaschenko dieser Tage in Anspielung auf den rumänischen Diktator Nicolae Ceauşescu genannt wird. Sein angeblicher Sieg bei der Präsidentenwahl am 9. August, der wohl nur dank schwerer Wahlfälschungen errungen wurde, hat ihm die größte Protestwelle in der Geschichte des unabhängigen Belarus beschert. Ein Ende ist nicht abzusehen. Auch am Dienstag gingen Kundgebungen und Streikaktionen in vielen Städten des Landes weiter. Der staatliche Pottasche-Produzent Belaruskali trat in den Streik.
Die zentrale Forderung der Bürgerbewegung nach Neuwahlen wies der 65-Jährige bisher brüsk zurück. Zugeständnisse „unter dem Druck der Straße“ werde er keine machen. Dagegen schlug Lukaschenko zwischenzeitlich die Ausarbeitung einer neuen Verfassung vor, die die Bürger durch ein Referendum bestätigen sollten. Dann erst könne es Neuwahlen auf allen Ebenen geben. Der Vorschlag wird skeptisch aufgenommen.
Lukaschenko dürfte eines begriffen haben: Sein Plan, die Proteste mit maximaler Gewalt in den ersten Tagen niederzuschlagen, ist gescheitert. Eine aktive Mehrheit ist gegen ihn, seine Unterstützer schweigen. Derzeit zumindest. Deshalb will er Zeit gewinnen und hat sich auf eine „weichere“ Taktik verlegt. Einerseits macht er Angebote, ohne auf die Ursprungsforderungen der Demonstranten einzugehen. Andererseits gehen Verhaftungen und Einschüchterungsversuche (weniger offensichtlich) weiter.