Pflanzenschutzmittel

Hat die EU Österreichs Glyphosatverbot verboten?

imago images/Frank Sorge
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Laut EU-Kommission ist ein Alleingang Österreichs bei diesem Thema nicht mit dem Unions-Recht vereinbar. Möglich sei er dennoch, sagen Umweltschützer. Die SPÖ will das „gefährliche Pflanzengift“ notfalls auch gegen den Widerstand aus Brüssel verbieten.

Die EU-Kommission hat einem österreichischen Glyphosat-Verbot in einer Stellungnahme eine klare Absage erteilt. Zum vor drei Monaten an die Behörde übermittelten Gesetzesentwurf der SPÖ für ein nationales Totalverbot halte die Kommission unmissverständlich fest, dass ein solches nicht mit dem geltenden Unionsrecht vereinbar ist, kommentierte das Landwirtschaftsministerium das Schreiben - und sieht sich in seiner bisherigen Rechtsmeinung bestätigt.

Aber das sehen nicht all so. Die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 liest aus der Antwort der EU sogar grünes Licht für ein österreichisches Glyphosat-Verbot. Der Grund dafür: Die Kommission habe auf eine „ausführliche Stellungnahme“ verzichtet, die einem rechtlich bindenden Einspruch gleichgekommen wäre. Die Kritik am österreichischen Alleingang sei nur in Form einer „Bemerkung“ geäußert worden, die aber rechtlich ohne Bedeutung sei. „Die aktuellen Aussagen aus dem von Elisabeth Köstinger (ÖVP) geführten Landwirtschaftsministerium, wonach die EU-Kommission dem österreichischen Glyphosat-Verbot eine klare Absage erteilt hätte, sind daher irreführend und falsch“, erklärt GLOBAL 2000-Umweltchemiker Helmut Burtscher-Schaden.

Die SPÖ hatte bereits im Vorfeld angekündigt, am angestrebten Verbot festhalten, auch wenn Brüssel eine negative Stellungnahme abgeben sollte. Verzögert wird das Verbot allerdings durch eine „ausführliche Stellungnahme“ des EU-Mitglieds Tschechien, in der von einer Behinderung des freien Warenverkehrs gewarnt wird. Damit wird die Stillhalteperiode um weiter drei Monate verlängert. Nach dem 19. November 2020 kann die Bundesregierung jedoch das österreichische Glyphosat-Verbot verabschieden, so Global 2000.

„Keine spezifisch österreichischen Probleme"

Im Schreiben der EU-Kommission wurde jedenfalls festgestellt, dass das Argument des Vorsorgeprinzips bereits bei der Wirkstoff-Zulassung von Glyphosat berücksichtigt wurde."Darüber hinaus ist anzumerken, dass keine der Studien, auf dieverwiesen wird, belegt, dass Glyphosat ein konkretes Risiko für die menschliche Gesundheit darstellt", heißt es weiter. "Ein bloßer Verweis auf neue Studien ohne konkrete Begründung, warum sie den derzeitigen Ansatz in Frage stellen, sollte nicht dazu benutzt werden, sich auf das Vorsorgeprinzip zu berufen, um in gültige und relativ neue EU-weite Entscheidungen einzugreifen, die nach einem
gründlichen wissenschaftlichen Prozess getroffen wurden."

Die Stellungnahme im Rahmen des Notifikationsverfahrens zum
parlamentarischen Gesetzesantrag der SPÖ hält fest, dass nationale
Alleingänge bei der Zulassung von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen im
Rechtsverständnis der EU nicht zulässig sind. Es seien keine
spezifisch österreichischen Probleme nachgewiesen worden, die ein
Verbot von Glyphosat in Pflanzenschutzmitteln rechtfertigen würden.

EU-Prozess um längere Genehmigung läuft

Die Stellungnahme hat aufschiebende Wirkung, die Frist für
weitere Stellungnahmen verlängert sich dadurch um drei Monate.
Österreich ist aufgefordert, die Bemerkungen der Kommission zu
berücksichtigen. "Der Ball liegt damit wieder beim Parlament, das
den SPÖ-Antrag bei der Europäischen Kommission notifiziert hat. Nach
der Rückmeldung der Europäischen Kommission ist klar, dass dieser
Antrag gegen europäisches Recht verstößt", hieß es seitens des
Landwirtschaftsministeriums.

Die Kommission verwies in ihrem Statement auf den Umstand, auf
den laufenden Prozess der Erneuerung der Zulassung von Glyphosat,
der im Dezember 2019 begonnen hat: "Im Rahmen der in den
Rechtsvorschriften der Union vorgesehenen Garantien wird die
Bewertung auf fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen",
die Kommission werde ihre Entscheidung über die Erneuerung oder
Nichtverlängerung der Zulassung auf der Grundlage des Ergebnisses
dieser Bewertung das Vorsorgeprinzip berücksichtigen, falls
wissenschaftliche Unsicherheiten bestehen bleiben.

Bierlein machte Glyphosatverbot nicht kund

Die Wiedergenehmigung von Glyphostat in der EU wurde Ende des
Vorjahres von einem Konsortium mehrerer Pestizid-Hersteller
beantragt. Die Zulassung des Unkrautvernichters wurde Ende 2017 in
der EU für weitere fünf Jahre bis Ende 2022 beschlossen, daher
strebt die "Glyphosate Renewal Group" nun an, dass das Mittel auch
darüber hinaus wieder verwendet werden darf.

In Österreich hätte das im Sommer 2019 vom Nationalrat ohne den
Stimmen der ÖVP beschlossene Glyphosatverbot mit 1. Jänner in Kraft
treten sollen. Die ehemalige Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein
machte das Gesetz wegen eines Formalfehler aber nicht kund, da der
Entwurf der EU im Voraus zur Notifizierung übermittelt hätte werden
müssen, was dann aber erst am 19. Mai geschehen ist.

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