Die Sars-CoV-2-Viren verbreiten sich durch Aerosole in der Luft: Das wird immer klarer – und dürfte auch unsere Wahrnehmung und unser Verhalten beeinflussen. Eine Erinnerung an Malaria, Miasmen und Bergluftsanatorien.
Als Erstes, es muss Anfang März gewesen sein, kam das Händewaschen. Firmen und Lokale informierten ihre Angestellten respektive Kunden – oft mit hübschen anatomischen Grafiken – darüber, wie man sich effizient die Hände säubert, um den eben erst ins Bewusstsein gedrungenen Viren keine Chance zu lassen. Besonders Eifrige klagten bald über vor lauter Hygiene juckende Haut . . .
Bald auch war das Vermeiden des Händeschüttelns in den Köpfen etabliert. Dass man sich oder einander manuell ansteckt, ist emotional ja leicht fassbar. Man macht sich die Hände schmutzig, sagt man sogar metaphorisch. Pilatus wusch seine Hände in Unschuld, die verrückte, von Schuld geplagte Lady Macbeth litt unter Waschzwang. Umso leichter stellen wir uns vor, dass auch die – nun schon nicht mehr „neuartigen“ – Coronaviren, die unser Leben durcheinanderbringen, manuell übertragen werden.
Doch dieser Infektionsweg ist, glaubt man den Forschern – und das sollten wir tun –, weniger wichtig, als man anfangs dachte. Von Schmierinfektionen hört man nur mehr selten. Entsprechend werden die Desinfektionsmittelspender, die seit April allerorten angebracht sind, immer seltener benutzt.
Körperflüssigkeit? „Gesundheit!“
Nicht nur durch herzige animalische Vergleiche schnell ins Bewusstsein gedrungen ist auch das Abstandhalten, das vor der Tröpfcheninfektion schützen soll. Dass man Angesteckte absondert und sich von potenziell Angesteckten distanziert, ist in allen Kulturen verbreitet. Und das schon lang bevor man die Infektion in kleinen Lebewesen – oder, im Fall von Viren, Gerade-noch-nicht-Lebewesen – verortet hat. „Bleib mir vom Leib!“, sagten Menschen, die sich vor Erkältung fürchteten, zu ihren niesenden oder hustenden Arbeitskollegen, als noch kaum jemand wusste, was Coronaviren sind (und auch nicht, dass solche auch einen Teil der gewohnten Verkühlungen bewirken). Sie hatten und haben recht damit: Viren reisen gern in Tropfen aus Körperflüssigkeiten von einem Menschen zum anderen. Wer solche lautstark absondert, dem wünscht man – und damit zugleich sich selbst – noch lautstärker: Gesundheit!