Gibt es Wissen, sollen wir Forschern vertrauen? Geert Keil versucht sich prägnant und gut lesbar an der uralten, hochaktuellen Frage.
Noch im Februar galt jeder als paranoid, der behauptete, das neue Virus werde bald die ganze Welt lahmlegen. Kurz darauf galt jeder als Verschwörungstheoretiker, der die Gefahr und politische Zwangsmaßnahmen dagegen in Zweifel zog. Wie sich Corona vorrangig verbreitet, dazu gibt es alle paar Wochen neue Theorien. Viele zucken deshalb mit den Schultern: Wir können eh nichts wissen, und Wissenschaftler sind um nichts glaubwürdiger als YouTube-Blogger. Eine solche radikale Skepsis haben seit der Antike auch einige Philosophen vertreten. Die meisten ihrer Kollegen aber schreiben tapfer dagegen an – indem sie unsere trüben Begriffe klären.
Also: Was ist Wissen? Für Plato war es eine wahre, gerechtfertigte Überzeugung. Das klingt so einleuchtend, dass man sich lange damit zufriedengab. Bis Edmund Gettier 1963 mit einem kurzen Aufsatz in einem Fachjournal einen Abgrund aufriss und so zu einem der meistzitierten Denker des Jahrhunderts wurde. Ein Gettierfall wäre: Die Bahnhofsuhr zeigt fünf nach elf. Ich denke: Aha, es ist fünf nach elf, ich erreiche noch den Zug. Stimmt auch. Aber die Uhr ist am Vortag zur gleichen Minute stehen geblieben, und es ist nur ein glücklicher Zufall, dass ich gerade jetzt vorbeikomme. Kann ich sagen, dass ich „weiß“, wie spät es ist? Es ist wahr, ich glaube es, aber offenbar ist meine Überzeugung nicht wirklich gerechtfertigt.