Taxonomie

Katalog des Lebens: Ein Telefonbuch für alle Arten der Welt

Ein Verwandter dieses Blaumückenfängers, der Kalifornische Mückenfänger, wurde in den USA zum Streitfall: Wenn er eine eigene Unterart ist, hat der Naturschutz Vorrang vor einem Millionen-Dollar-Immobilienprojekt.
Ein Verwandter dieses Blaumückenfängers, der Kalifornische Mückenfänger, wurde in den USA zum Streitfall: Wenn er eine eigene Unterart ist, hat der Naturschutz Vorrang vor einem Millionen-Dollar-Immobilienprojekt.Andy Reago & Chrissy McClarren/CC BY 2.0
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Der Klimawandel beeinflusst das weltweite Artensterben. Nun versuchen Forscher erstmals, eine einheitliche Liste für alle Lebewesen der Erde zu schaffen. Der Fokus liegt auf der Konsensfindung der Forscher, um rechtliche Grundlagen für den Natur- und Artenschutz zu verbessern.

Was ist eine Art? Diese Frage ist nicht nur im Biologiestudium bei Prüfungen beliebt, sondern scheidet auch die Geister in der Wissenschaft, weil es im Tier- und im Pflanzenreich oft nicht exakt abzugrenzen ist, was eine Art ist und was eine Unterart. „Die Taxonomie, die sich mit der Einordnung der Lebewesen befasst, ist ein diskretes Ordnungssystem, also es gibt nur eins und null: Art oder nicht Art, Unterart oder nicht Unterart.

Doch die Evolution ist ein kontinuierlicher Prozess: Es liegt in der Natur der Sache, dass es bei der Einordnung zu Reibungen kommt und nicht immer alle Experten einer Meinung sind“, erklärt Frank Zachos vom Naturhistorischen Museum Wien. Aus seinen Arbeiten in der Säugetiersammlung kennt er die Probleme, die sich ergeben, wenn ein Tier in einer taxonomischen Liste als eigene Art geführt wird, in einer anderen Liste aber als Unterart eingeordnet ist.

Erste Initiative für weltweite Artenliste

Für die Lebewesen des Planeten gibt es also bisher nicht das eine „Telefonbuch“, in dem jedes klar erkennbar ist, sondern eine Reihe von Listen, in denen manch' Tier oder Pflanze wahlweise als eine, zwei oder mehr Arten geführt wird. So gibt es in der sehr gut untersuchten Gruppe der Vögel auch mindestens vier unterschiedliche globale Artenlisten, womit man Ornithologen gut zum Streiten bringen kann.

Daher starteten Forscherinnen und Forscher in Australien nun die erste weltweite Initiative für eine einzige Artenliste aller Lebewesen der Erde, die von allen akzeptiert werden soll. Frank Zachos ist bisher der einzige österreichische Vertreter in dem Konsortium, das von der International Union of Biological Sciences (IUBS) unterstützt wird, dem Dachverband aller biologischen Gesellschaften der Welt. Kürzlich erschien die erste aus einer Reihe von geplanten Publikationen in Plos Biology (7. 7.): „Principles for creating a single authoritative list of the world's species“; und das Forscherkonsortium wächst monatlich an.

Denn, wenn das große Ziel erreicht werden soll, das globale Artensterben aufzuhalten, muss es eine einheitliche Basis geben, auf der auch rechtliche Grundlagen zum Schutz der Arten aufbauen können. „Die Entwicklung einer globalen Artenliste wird das Aussterben nicht stoppen, aber sie ist wichtig für den Natur- und Artenschutz unserer und zukünftiger Generationen: Man kann nur schützen, was man benennen kann“, betont Zachos.

Als Beispiel bringt er den Singvogel namens Kalifornischer Mückenfänger, der in einem begrenzten Habitat an der US-Küste vorkommt. Manche Ornithologen ordnen ihn als eigene Unterart ein, andere sagen, er wäre nur eine Population einer anderen Unterart. Sein Verbreitungsgebiet ist aber für ein Immobilienprojekt viele Millionen Dollar wert: Die Naturschützer pochen nun auf die Liste, die den Mückenfänger als eigene geschützte Unterart festschreibt; der Immobilienriese aber verweist auf die Artenliste, bei der diese Vögel nicht unter Artenschutz fallen. „Hier müssen nun Juristen eine Lösung finden“, so Zachos.

Juristische Schlupflöcher stopfen

Das Anliegen des aktuellen Projekts ist, dass für jede existierende Gruppe von Lebewesen alle Expertinnen und Experten eingebunden werden, um sich auf eine gemeinsame Liste ihres Spezialgebiets zu einigen. „Wir haben zehn Grundsätze geschaffen, wie man zu einer Einigung kommen kann, und dokumentieren den Prozess der Konsensfindung wissenschaftlich“, sagt Zachos. So sollen juristische Schlupflöcher gestopft und zugleich die Freiheit der Wissenschaft erhalten werden.

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