Vor genau 100 Jahren wurde in Salzburg Hugo von Hofmannsthals „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ aufgeführt. Es kam und blieb.
Seit 100 Jahren ist der Freundeskreis „Melpomene“ in den Wandelgängen des Gegengiftes wild zerstritten. Handelt es sich beim „Jedermann“, diesem englischen „morality play“, das Hugo von Hofmannsthal aus dem späten Mittelalter in die aufkommende Moderne transferierte, um göttlich inspiriertes Welttheater, das eine radikale Restauration vorbereitet? Oder ist der Text ein übles Machwerk in grob geschnitzten Versen, das die Segnungen der Aufklärung rückgängig machen will?
Die Freimaurer unter uns höhnen, so viel barocke Verstellung passe ideal in eine Umgebung, in der nicht der Weltgeist, sondern der Primas Germaniae regiere. Strengere Katholiken hingegen fragen fromm, wie viel Ablass man für das Jenseits erwerbe, wenn man brav jedes Jahr eine theologisch korrekte Inszenierung des Stückes über das Sterben des reichen Mannes absitze. Und die Romantiker interessiert nur, wer beim Begräbnis die arme Buhlschaft trösten werde.