Der ehemalige Direktor der Commerzialbank Mattersburg, Martin Pucher, soll einem Kunden – der gleichzeitig Aufsichtsratsmitglied war – Bargeld übergeben haben, damit dieser seine Kredite bei der Bank tilgen kann.
Wien. Mattersburg wird Österreich noch länger beschäftigen. Immer mehr Details zu den Bilanzfälschungen der Commerzialbank Mattersburg und ihres ehemaligen Vorstandschefs, Martin Pucher, dringen an die Öffentlichkeit.
So berichtete der ORF im „Morgenjournal“, dass Pucher nicht nur Guthaben und Kredite erfunden hat, sondern auch mit Bargeld hantierte, um die ausgedachten Kredite wie echte aussehen zu lassen. „Darüber hinaus habe ich auch Kreditnehmer durch Bargeldübergaben begünstigt. Den Kreditnehmern habe ich das Geld meist bar gegeben und nur dazugesagt, wir, die Bank, verdienen gut, und die Bank hilft dir“, wird Pucher aus den Vernehmungsprotokollen zitiert. Die Kreditnehmer, Unternehmenskunden der Commerzialbank, haben dann selbst Rechnungen gefälscht und sie mit diesem Geld bezahlt. Damit hatten sie Einnahmen, mit denen sie ihre laufenden Kredite bei der Commerzialbank bedienen konnten.
Es war eine Win-win-Situation: Auf der einen Seite bewahrte Pucher damit regionale, burgenländische Betriebe vor der Pleite, auf der anderen Seite konnte er damit sein Fälscher-Konstrukt aufrechterhalten – denn sonst hätte er die Kredite abschreiben müssen. Zudem bestand die Gefahr, dass im Zuge dessen erkannt worden wäre, dass er die Beträge einiger Kredite willkürlich erhöht hatte.
Die Übergaben des Bargelds haben „zu 90 Prozent in der Bank stattgefunden, die restlichen Treffen auf einem Parkplatz, in der Firma oder bei mir“, sagte Pucher. Was sich die Abnehmer dabei gedacht haben, könne er nicht sagen.
Whistleblower hatte recht
Ihre Identität hat er aber sehr wohl preisgegeben – vier dieser „begünstigten Kreditnehmer“ hat Pucher gegenüber den Behörden genannt. Einer davon war Aufsichtsrat der Bank. Allein der Interessenkonflikt, gleichzeitig Aufsichtsrat und Großkunde der Bank zu sein, ist bereits kritisch zu sehen – dass dieser auch noch Geld von Pucher angenommen und Rechnungen gefälscht haben soll, überschreitet die Grenzen der Legalität. Bis die Gerichte das geklärt haben, gilt die Unschuldsvermutung.
Spannend ist ein weiteres Detail aus dem Ermittlungsakt: „Vorstandsvorsitzender Martin Pucher schafft seit Jahren Millionen zur Seite. (...) Dieses Geld wird verwendet (...) im Fußballverein Mattersburg (...) sowie zur persönlichen Bereicherung“, schreibt der Whistleblower 2015 an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Weder die Bankenaufsicht noch die Staatsanwaltschaft waren imstande, das zu verifizieren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2020)