Zwischenbilanz

Die Ebbe nach der Flüchtlingswelle

Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) vor dem Erstaufnahme- zentrum, das in der Krise in die Schlagzeilen geriet.
Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) vor dem Erstaufnahme- zentrum, das in der Krise in die Schlagzeilen geriet.(c) AKOS BURG
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Fünf Jahre nach der Flüchtlingskrise ziehen Österreichs Gemeinden eine Zwischenbilanz – mit teils gemischten Gefühlen.

Nach der Ebbe kommt die Flut – oder vice versa? Das Bild der Gezeitenkräfte ist für vieles anwendbar, metaphorisch lässt es sich auch auf die Flüchtlingskrise 2015 und ihre Effekte auf die österreichische Gesellschaft umlegen. Denn nach der oftmals zitierten „Welle“ von Flüchtlingen 2015 hat sich die Lage inzwischen beruhigt, die Flut an Asylanträgen ist abgeebbt. Fünf Jahre später stellt sich jedoch die Frage: Wo sind die Zehntausenden Flüchtlinge, die 2015 zu uns kamen, heute?

88.340 Menschen stellten in Österreich 2015 einen Asylantrag, 42.285 folgten im Jahr darauf. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2020 wurden 5424 Anträge gestellt. Insgesamt suchten in den vergangenen fünf Jahren rund 188.560 Menschen in Österreich um Asyl an. 118.390, das sind 62,8 Prozent, wurde ein Schutz erteilt (Asyl, subsidiärer Schutz oder humanitärer Aufenthaltstitel). Österreich wieder verlassen haben im selben Zeitraum 60.940 Menschen, ungefähr die Hälfte davon infolge freiwilliger Rückkehr.

»Österreich rangiert bei den positiven Asylanträgen
pro Einwohner auf Platz eins.«

Österreich hat demnach einem Großteil der zuletzt ins Land gekommenen Asylbewerber Schutz gewährt. Tatsächlich führt Österreich europaweit bei den positiven Entscheidungen pro 1000 Einwohnern vor Schweden und der Schweiz. Ein Umstand, der von den türkisen Integrations- und Innenministerien ins Treffen geführt wird, sobald die Opposition die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem überfüllten Flüchtlingslager Moria auf Lesbos fordert. Trotz wiederholter und berechtigter Hinweise der Regierung auf die Anstrengungen, die Politik und Zivilgesellschaft geleistet haben, um die große Zahl an Flüchtlingen bestmöglich zu integrieren, rückt der aktuelle Vergleich die abstrakten Zahlen in ein klareres Licht: So rangiert Österreich im EU-Vergleich bei den Asylanträgen 2019 nur noch im Mittelfeld. Pro Million Einwohner beantragten in Zypern (14.495), Malta (8108) und Griechenland (6985) die meisten Menschen Asyl. Österreich nimmt mit 1216 nur den 12. Platz ein und liegt damit auch knapp unter dem EU-Schnitt (1279). Die Slowakei (39) und Ungarn (48) sind im Ranking das weit abgeschlagene Schlusslicht.

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