Coronavirus

Experten-Kritik: "Halte Fiebermessen an den Grenzen für reinen Aktionismus"

Fiebermessen am Brenner
Fiebermessen am BrennerAPA/BUNDESHEER/NALTER
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"Wahllos Urlaubsrückkehrer zu testen“ mache wenig Sinn, sagt Martin Sprenger, einstiges Mitglied des Expertenrats im Gesundheitsministerium. Auch sonst übt Sprenger scharfe Kritik an der Regierung.

Im Ö1-"Mittagsjournal" am Samstag äußerte der Public Health-Experte Martin Sprenger von der MedUni Graz Kritik angesichts der Tests an Urlaubsrückkehrern. Er "halte Fiebermessen an den Grenzen für reinen Aktionismus", so Sprenger. Die Gesundheitskontrollen an den Grenzen zu Slowenien und Italien haben am Samstag in Kärnten jedenfalls wieder zu Verkehrsstaus und teils stundenlangen Wartezeiten geführt.

Die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) viel zu testen habe sich auf Verdachtsfälle bezogen, so Sprenger weiter: "Wahllos Urlaubsrückkehrer zu testen macht meiner Meinung nach wenig Sinn". Viele Menschen würden so auch unnötig in Quarantäne geschickt und von der Arbeiten abgehalten. Der Public-Health-Experte forderte ein gezieltes Testen von symptomatischen Personen und von Kontaktpersonen sowie in gewissen Einrichtungen. 

Bedenken äußerte er auch zur Corona-Ampel, die am 4. September das erste Mal online gehen wird. Zwar sei die einfache Darstellung gut, aber "es muss unbedingt öffentlich gemacht werden, was die Kriterien sind" wenn es um die Festlegung der Farben gehe. Keinesfalls dürfe es "eine Geheimkommission geben, die irgendwie intransparent entscheidet, das wäre demokratiepolitisch fatal", so das einstige Mitglied des Expertenrats im Gesundheitsministerium. Ein Grundlage wären stattdessen die 15 Qualitätskriterien "Gute Gesundheitsinformation Österreich", die auf der Seite des Ministeriums zu finden seien, empfahl er der Corona-Kommission.

Volksschulen „normal öffnen"

Der Public-Health-Experte plädierte außerdem dafür, Kindergärten und Volksschulen von höheren Schulen getrennt zu betrachten. Erstere sollten „normal öffnen“, für Letztere sei die vorgeschlagene „Ampel gar nicht so schlecht“. Zugleich sollte in die Kommunikation mit Pädagoginnen und Pädagogen sowie Eltern investiert werden, weil es viele „vollkommen irrationale" Ängste im Bildungsbereich gebe.

Vor allem von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) seien im Frühjahr „vollkommen unnötig diese Ängste eskaliert worden – Stichwort 100.000 Tote. Und diese sind jetzt in den Köpfen vieler Menschen“. Die Politik setze auch jetzt viel zu viel auf Angst, statt die positiven Entwicklungen zu thematisieren, sagte Sprenger. Superspreader-Events würden vermieden werden, Cluster eingedämmt, Risikogruppen geschützt. Sprenger meine außerdem: „Es wäre ja einmal spannend, Arbeitslosigkeit, Herzinfarkte oder Krebserkrankungen auf Dashboards zu haben.“

Kritik an Darstellung auf Dashboards

Außerdem kritisiert Sprenger die Darstellung auf den Dashboards. Bis vor kurzem seien positiv Getestete als Erkrankte bezeichnet wurden. Ein positiver Test bedeute aber nur, dass Teile des neuen Coronavirus nachweisbar sind, aber nicht, dass eine Person erkrankt oder infektiös ist. Außerdem sollten die Zahlen immer in Relation zu den durchgeführten Tests dargestellt werden, so der Experte. Im Frühjahr sind laut Sprenger noch 20 Prozent der positiv Getesten im Krankenhaus gelandet, jetzt seien es zehnmal weniger; im Frühjahr seien noch fünf Prozent der positiven Fälle verstorben, jetzt seien es weniger als zwei Promille.

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(APA/Red.)

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