Nordkorea

Kim Jong-uns jüngere Schwester macht Karriere

Kim Yo-jong
Kim Yo-jongAPA/AFP/POOL/JORGE SILVA
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Die 30-jährige Kim Yo-jong rückt zur zweitwichtigsten Person der Diktatur auf und ist ab sofort für die Politik gegenüber den USA und Südkorea verantwortlich. Der „Oberste Führer“ gilt als gesundheitlich angeschlagen.

In Pjöngjang bleibt alles in der Familie. Nach Einschätzung des südkoreanischen Geheimdienstes NIS hat Machthaber Kim Jong-un Teile der Staatsgeschäfte an seine jüngere Schwester Kim Yo-jong übertragen. Im Auftrag des „Obersten Führers“ sei die vermutlich 30-Jährige ab sofort für die Politik gegenüber den USA und Südkorea verantwortlich und damit zur zweitwichtigsten Person in der Hierarchie aufgestiegen.

Wie die Seouler Nachrichtenagentur Yonhap berichtet, solle mit dieser Machtteilung „Arbeitsstress“ von dem Diktator genommen werden, über dessen angeschlagene Gesundheit immer wieder spekuliert wird. Nach Ansicht von Experten in Seoul könnte das bedeuten, dass die Schwester künftig auf Weisung oder auch nur mit stiller Billigung Anordnungen erteilen oder sich in der Öffentlichkeit äußern darf. Der südkoreanische Geheimdienst vermutet aber auch, dass Kim Jong-un vorbaut, falls die Atomgespräche mit den USA nach der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten endgültig scheitern und die Sanktionen gegen Nordkorea auf lange Sicht anhalten. Dann könnte er „die Schuld für den Fall des politischen Scheiterns“ von sich selbst abwenden.

Sprengung befohlen

Die neue Rolle von Kim Yo-jong hat sich schon seit Wochen angedeutet. So soll sie im Juni die spektakuläre Sprengung des interkoreanischen Verbindungsbüros befohlen haben. Schon damals erklärte sie, dies sei „in Ausübung der Macht, die mir der Oberste Führer verliehen hat“ erfolgt. Ob der teilweise Machtverzicht von Kim Jong-un schon die geregelte Nachfolge an der Spitze des altstalinistischen Regimes bedeutet, bleibt jedoch unklar. Laut Yonhap „besitzt der Vorsitzende Kim nach wie vor die absolute Autorität, auch wenn er einiges davon abgegeben hat.“

Wann dieser wichtige Schritt vollzogen wurde, ist nicht bekannt, aber es darf vermutet werden, dass Kim Mitte vergangener Woche auf dem Plenum seines Parteizentralkomitees die Entscheidung verkündet hat. Dieses Gremium tagt gewöhnlich nur am Jahresende, zuletzt im Dezember 2019. Damals verkündete der Führer eine „neue Strategie der Waffen“.

Dass diese Tagung nun vorgezogen wurde, muss mit gewichtigen Gründen zusammenhängen. Offiziell heißt es dazu, das Führungsgremium werde über eine „Angelegenheit grundlegender Bedeutung für die koreanische Revolution und die Kampfeffizienz der Partei“ entscheiden. Südkoreanische Quellen berichten, der Machthaber habe bei dieser Gelegenheit eingestanden, dass der unter seiner Führung artikulierte Fünfjahresplan von 2016 nicht den erhofften ökonomischen Aufschwung gezeigt hat. Der von Kim verkündete Anstieg des Lebensniveaus der Bevölkerung sei weitgehend ausgeblieben, verlauten auch Nordkoreas Staatsmedien. Ein neuer, korrigierter Fünfjahrplan solle im Jänner verabschiedet werden. (a.k.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2020)

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