Antisemitismus

Angriff auf Synagoge: Eine „ernst zu nehmende Bedrohung“

(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Nach den Angriffen in Graz werden alle Synagogen rund um die Uhr bewacht. Bedrohungen und Beleidigungen gegen Juden sind weiter im Steigen.

„Wenn Jüdinnen und Juden in Österreich unter Druck sind, dann ist Österreich unter Druck“, sagte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sprach von einem „Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte der Republik Österreich“. Nach der Festnahme eines Mannes Sonntagabend sind zwar die Angriffe auf die Grazer Synagoge und Präsident Elie Rosen geklärt. Der Antisemitismus als nach wie vor wachsendes Problem aber bleibt.

Der jüngste Vorfall zeige, so Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, dass der „muslimische Antisemitismus eine ernst zunehmende Bedrohung“ sei.

Was weiß man über den Mann, der die antisemitischen Angriffen in Graz begangen hat?

Noch nicht sehr viel: Bei dem 31-Jährigen dürfte es sich um einen Einzeltäter handeln, er ist syrischer Staatsbürger, lebt seit 2013 als anerkannter Flüchtling in Österreich. In seiner Wohnung wurden ein Laptop, mehrere Handys sowie Schriftstücke sichergestellt, die auf ein islamistisches Motiv hindeuten. Wo er sich radikalisiert hat, ist noch unklar.

Bei der Einvernahme hat der Mann jedenfalls den Angriff auf den Präsidenten der jüdischen Gemeinde Graz, Elie Rosen, gestanden, sowie auch sieben Sachbeschädigungen, bei denen er unter anderem Steine und Betonstücke auf die Synagoge in Graz geworfen hatte. Weiters hat er Sachbeschädigungen einer katholischen Kirche sowie des Vereinslokals des schwul-lesbischen Vereins Rosalila PantherInnen gestanden. Nehammer nannte den Mann einen „radikal-islamistischen Antisemiten“, der darüber hinaus „homophob ist und die Gesellschaft in Österreich bekämpfen will“. In der Einvernahme hat der 31-Jährige die Angriffe mit Hass auf Israel, Juden, Schwule und Lesben sowie Prostituierte begründet – so hat er auch Steine auf ein Rotlicht-Etablissement geworfen. Reue zeigte er nicht. Das Bundesamt für Fremdenwesen hat gegen ihn ein Asyl-Aberkennungsverfahren eingeleitet.

Welche Konsequenzen ziehen die Behörden aus den Vorfällen in Graz?

Um Nachahmungstäter abzuschrecken, hat Nehammer die verstärkte Überwachung aller Synagogen angekündigt – sowohl von uniformierten Polizisten als auch von solchen in Zivil. Und zwar rund um die Uhr. Denn: „Wir haben es hier mit einem systemischen Problem zu tun und nicht mit einer einzelnen Tat, die abgeschlossen ist.“ Polizeilichen Schutz für jüdische Einrichtungen gab es schon bisher, ohne diesen „wäre das jüdische Leben in Österreich nicht möglich“, wie IKG-Präsident Deutsch sagt.

Eine Arbeitsgruppe im Innenministerium soll zudem weitere Schutzmaßnahmen erarbeiten soll. Ministerin Edtstadler wiederum will im Herbst eine „nationale Strategie gegen Antisemitismus“ präsentieren, an der ihr Ressort ohnehin seit längerem arbeite: 30 Maßnahmen die den Schutz des jüdischen Lebens fördern sollen, sollen dabei präsentiert werden. Auch ÖVP-Integrationsministerin Susanne Raab will weitere präventive Maßnahmen gegen Antisemitismus erarbeiten – konkret auch für muslimische Migranten. „Der Anschlag in Graz bestätigt uns erneut, dass das Phänomen des politischen Islam und Antisemitismus nicht parallel aneinander vorbeigehen, sondern dass es Schnittmengen gibt“, so Raab.

Den Vorwurf, die Polizei habe es nach den ersten Sachbeschädigungen Anfang der Woche verabsäumt, Präsident Rosen zu schützen, wies dieser selbst zurück. Er habe sich keinen Personenschutz gewünscht, der Vorfall „war nicht absehbar.“

Mit welchen strafrechtlichen Folgen muss der Verdächtige rechnen ?

Strafrechtlich gesehen drehen sich die Ermittlungen gegen den 31-jährigen um mehrere Delikte. Der Angriff auf Rosen – mit einem Stuhlbein – könnte als versuchte Körperverletzung, als versuchte schwere oder als versuchte absichtlich schwere Körperverletzung gewertet werden. Hier gilt es für die Staatsanwaltschaft den Vorsatz des – geständigen – Mannes zu ergründen. Auf („einfache“) Körperverletzung steht bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe (dies gilt grundsätzlich auch, wenn es beim Versuch geblieben ist). War der Vorsatz auf eine schwerere Form der Körperverletzung gerichtet, können, je nach Delikt, auch bis zu zehn Jahre Freiheitsentzug drohen. Stellt sich am Ende gar ein Mordversuch heraus, droht bis zu lebenslange Haft. Die vorher verübten Sachbeschädigungen an der Synagoge sind mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bedroht.

Wie stark ist Antisemitismus in Österreich verbreitet?

Antisemitismus ist in Österreich mehr oder weniger latent immer noch präsent. Die Zahl der dokumentierten Vorfälle gegen Juden steigt jedenfalls: So erfasst der jüngste Bericht der IKG 550 antisemitische Vorfälle im Jahr 2019, ein Anstieg um 9,5 % gegenüber 2017. 2008 zählte man 46 Vorfälle. Zugenommen haben dabei vor allem die Sachbeschädigungen, den größten Teil macht aber „verletzendes Verhalten“ aus, also etwa Beschimpfungen, auch im Internet. Wobei hier nicht jedes einzelne Posting gezählt wird: So fanden sich unter einem Online-Artikel über IKG-Präsident Deutsch 68 antisemitische Kommentare. Diese werden in der Statistik aber als nur ein Vorfall gezählt.

Mehrere Studien in den vergangenen Jahren haben zudem gezeigt, dass sich gerade unter muslimischen Migranten ein hoher Anteil offen gegen Juden ausspricht. So stimmten in einer Studie zwei Drittel der Afghanen der Aussage zu, Juden seien „die Feinde aller Muslime“. Die meisten dokumentierten antisemitischen Vorfälle (268 der 550) gehen aber dennoch auf rechtsradikale Täter zurück, 31 wiesen einen muslimischen und 25 einen linken Hintergrund auf. Ein großer Teil der Vorfälle (226) konnte keiner Ideologie zugeordnet werden.

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