Martin Mostböck gründete 2001 sein Designstudio in Wien und ist spezialisiert in Architektur, Design, Konstruktion und Stadtplanung. Das „Schaufenster" hat den Architekten zum Interview getroffen.
Wie stellt sich die derzeitige Situation, Noch-Corona bzw. Nicht-mehr-Lockdown-Corona, dar - für Sie als Designer?
In meiner Arbeit als Architekt ist nach einer kurzen Schockstarre die Arbeit an den Projekten wieder normal angelaufen. In meiner Arbeit als Designer ist es teilweise so, dass viele Firmen noch immer in diesem Schockzustand verharren, andere wiederum weitermachen, um die verlorene Zeit aufzuholen. So wie es aber derzeit aussieht werden sich ein paar Firmen davon gar nicht mehr erholen.
Wie gehen Sie in Ihrem Alltag damit um - beruflich sowie privat?
Im Berufsleben haben sich Besuche und Reisen zu den Herstellern eingeschränkt. Die für Mitte März geplanten Meetings in Bologna und Udine wurden gestrichen. Teilweise wurden sie als Videokonferenzen nachgeholt, aber in einem Entwicklungsprozess für ein Produkt, in dem die persönliche Einschätzung und Reaktion des Teilnehmers gegenüber wichtig ist, sind Videokonferenzen unbefriedigend. Für so einen Entwicklungsprozess, in dem unter anderem Haptik, Farben, Oberflächen und auch die zwischenmenschliche Chemie eine Rolle spielt, ist es aus meiner Sicht unumgänglich, wieder zu Face-to-Face Meetings zurückzukehren.
Wie wirkt sie sich darauf aus, wie Sie arbeiten oder mit wem Sie arbeiten?
Es haben sich vor Covid-19 Kooperationen mit neuen Herstellern ergeben, die wir am Salone in Mailand vertiefen wollten. Durch den Totalausfall dieser Messe im April sind diese Kontakte jetzt entweder eingeschlafen oder völlig auf Eis gelegt. Wie da jetzt die weiteren Schritte sein werden, ist völlig unklar.
Werden sich Ihrer Meinung nach langfristig auch die Bedingungen im Designprozess verändern?
Ich glaube, dass die Regionalität wieder eine größere Rolle spielen wird. Wenn die Lieferketten aus Fernost einbrechen, wird eben wieder mehr in der Region produziert werden. In einem Land wie Österreich, in dem „pro Sekunde ein Kubikmeter Holz nachwächst“, und das jedes Jahr einen Holzüberschuss produziert, wird sowieso mehr und mehr Holz verbaut. Das betrifft sowohl Architektur als auch Design.
In der Produktion? Im Vertrieb? Oder schon im Entwurfsprozess?
Ein Beispiel dazu: Wir haben letztes Jahr für Konstantin Filippous Fine Dining Restaurant im 1. Bezirk einen eigenen Sessel entwickelt, den Konstantin Chair. Die Produktion hat Braun Lockenhaus übernommen, ein Hersteller mit dem ich seit 20 Jahren zusammenarbeite. Das verwendete Holz kommt von der Domäne Esterhazy, also aus einem Radius von 15 km um Lockenhaus. Das Leder von Boxmark aus Feldbach, ca. 50 km Radius und das Restaurant Konstantin Filippou ist ca. 100 km von Lockenhaus entfernt. Wir haben sogar für die Anlieferung keinen Kunststoff, sondern nur Wellpappe und Karton als Verpackungsmaterial verwendet.
Also die Nähe zu und die Verwendung von regionalen Materialien ist schon eine wünschenswerte Idee, die allerdings viel zu selten in der Praxis umgesetzt wird. In diesem Fall allerdings zu 100 Prozent.
Mit welchen mittelbaren Effekten auf die Ausgestaltung von Dingen und Räumen durch Corona ist Ihrer Meinung nach zu rechnen?
Unmittelbare Effekte sind schon ablesbar. Die Schutzwände für Supermärkte und Geschäfte aus Plexiglas sind ja schon da. Viele Hersteller konnten über Nacht den Einbruch der eigenen Produktion mit solchen „Füllprodukten“ auslasten. Das hat ja auch gleich zu einem totalen Engpass in der weltweiten Plexiglas Produktion geführt. Die damit verbundene „Welle an Restmüll“, die noch auf uns zukommen wird, ist leider nicht abzuschätzen und wird wahrscheinlich unseren Planeten noch weiter zumüllen.
Wie viel Kontaktlosigkeit verträgt der kreative Prozess überhaupt?
Der kreative Prozess verträgt viel Kontaktlosigkeit - teilweise mehr als erwartet.