Staatskrise

Weißrusslands Justiz lädt Nobelpreisträgerin Alexijewitsch vor

Swetlana Alexijewitsch will sich den Fragen der Ermittler stellen
Swetlana Alexijewitsch will sich den Fragen der Ermittler stellenimago images/Jürgen Heinrich
  • Drucken

Alexijewitsch hatte Weißrusslands Staatschef Lukaschenko zum Rücktritt aufgefordert, "bevor es zu spät ist". Nun wird sie offiziell als Zeugin im Strafverfahren gegen den Koordinierungsrat der Zivilgesellschaft einvernommen.

Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch soll als Kritikerin des umstrittenen Staatschefs Alexander Lukaschenko in Weißrussland (Belarus) erstmals offiziell vernommen werden. Die 72 Jahre alte Schriftstellerin sitzt im siebenköpfigen Präsidium des neuen Koordinierungsrates der Zivilgesellschaft. Das Gremium strebt einen friedlichen Machtwechsel an.

Die Autorin werde sich trotz angeschlagener Gesundheit den Fragen der Ermittler stellen, ließ sie mitteilen. Alexijewitsch hatte Lukaschenko zum Rücktritt aufgefordert, "bevor es zu spät ist". Vernommen wird sie offiziell als Zeugin in dem Strafverfahren gegen den Koordinierungsrat. Ermittelt wird nach Ankündigungen Lukaschenkos, das Gremium zu zerstören, wegen des mutmaßlichen Versuchs der Machtergreifung. Der Rat hingegen fordert den Machtapparat zum Dialog auf. Lukaschenko lehnt solche Gespräche mit seinen Gegnern ab und lässt sie festnehmen.

Zwei prominente Vertreter des Rates, Olga Kowalkowa und Sergej Dylewski, waren am Dienstag zu zehn Tagen Arrest im Gefängnis verurteilt worden. Sie hatten Proteste gegen Lukaschenko organisiert. "Ich rufe die Sicherheitsorgane auf, unverzüglich den Druck auf den Koordinierungsrat zu beenden und Olga Kowalkowa und Sergej Dylewski freizulassen", sagte die Anführerin der Opposition, Swetlana Tichanowskaja, in ihrem Exil im benachbarten EU-Staat Litauen.

Am Dienstagabend gab es erneut Proteste in der Hauptstadt Minsk und in anderen Städten gegen Lukaschenko. Unabhängige Nachrichtenportale berichteten von mehreren Festnahmen. Die Polizei hatte etwa am Unabhängigkeitsplatz in Minsk vor illegalen Versammlungen gewarnt. Eine offizielle Bestätigung der Festnahmen gab es zunächst nicht.

Armee steht bereit

Die Lage in Weißrussland ist seit der Präsidentenwahl am 9. August gespannt. Der 65-jährige Lukaschenko ließ sich zum sechsten Mal in Folge zum Sieger ausrufen. 80,1 Prozent der Wählerstimmen hatte er sich zusprechen lassen. Das Ergebnis gilt als grob gefälscht. Lukaschenko hat stets betont, auch das Militär einsetzen zu können, um sich noch eine Amtszeit zu sichern.

Der Generalstab in Minsk hatte mitgeteilt, dass die Streitkräfte nicht nur gegen äußere Bedrohungen aktuell in voller Gefechtsbereitschaft seien. Die Armee stehe auch bereit, um die Gefahr im Land selbst abzuwenden, sagte Generalstabschef Alexander Wolfowitsch mit Blick auf die Proteste. Viele Menschen in Weißrussland befürchten, dass Lukaschenko eine Militärdiktatur errichten könnte.

Zahlreiche Menschen – teils auch im Sicherheitsapparat und im übrigen Staatsdienst – haben sich bereits von Lukaschenko öffentlich abgewendet. Die orthodoxe Kirche in Weißrussland erhielt eine neue Führung, nachdem der oberste Geistliche seine Unterstützung für Lukaschenko zurückgezogen hatte. Die Synode der russisch-orthodoxen Kirche legte ein neues Oberhaupt fest. Der Sicherheitsapparat, zu dem neben Polizei und Armee auch der mächtige Geheimdienst KGB gehört, hält Lukaschenko bisher die Treue.

(APA/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.