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Afrika

Der verschobene Neustart einer schwierigen Beziehung

Die koloniale Vergangenheit prägt das Verhältnis zur EU bis heute. Doch der Weg zu einer „Partnerschaft auf Augenhöhe“ ist weit.

Wien/Addis Abeba. 2020 hätte eigentlich ein großes Jahr für die europäisch-afrikanischen Beziehungen werden sollen. Höhepunkt: der EU-Afrika-Gipfel im Oktober in Brüssel. Vor allem von europäischer Seite griff man zu großen Worten, um das künftige Verhältnis zu beschreiben. Von einer Partnerschaft „auf Augenhöhe“ schwärmte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Dezember in Addis Abeba. Gerd Müller, deutscher Entwicklungsminister, sprach von einem „Jahrhundertpakt“. Dann kam die Coronapandemie – der Neustart der Beziehungen verzögert sich.

Die Beteuerungen, einander künftig gleichberechtigt zu begegnen, werden in Afrika ohnehin mit Skepsis aufgenommen. Zwar haben auch die afrikanischen Staaten ein Interesse an einer engen Partnerschaft mit der EU. Die Liste gemeinsamer Themen ist lang. Dazu gehören Handel, Migration, Frieden und Sicherheit, Klima. Die Union ist nach wie vor der größte Handelspartner Afrikas und wichtigster Geldgeber für Entwicklungshilfe und Direktinvestitionen. Zur Covid-Bekämpfung schnürte die Union ein Milliarden-Paket.

Doch „trotz aller gemeinsamen Verträge ist unser Kontinent noch immer nicht aus dem kolonialen System herausgekommen, ein reiner Rohstofflieferant zu sein. Das muss sich ändern“, zitierte die Deutsche Welle den AU-Beauftragten für die Beziehungen zur EU, Carlos Lopes. Die EU-Afrika-Strategie, die Brüssel im März vorstellte, wurde teils als einseitig aufgefasst.

Für viel Ärger sorgen in Afrika auch die Verhandlungen über einen Nachfolger des Cotonou-Abkommens. Der Vertrag, der Ende des Jahres ausläuft, regelt die Beziehungen der EU mit 79 Ex-Kolonien in Afrika, Karibik und Pazifik (AKP). Er ist Basis für die umstrittenen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs), die die Union mit einzelnen Staaten aushandelt. Brüssel will daran festhalten. Die AU, die stärker mit einer Stimme sprechen will, strebt eine afrikaweite Freihandelszone an. Die EPAs, so der Vorwurf, untergrüben die Pläne.

Dass die afrikanischen Staaten zunehmend selbstbewusst agieren, liegt auch an neuen Partnern. Was Investitionen betrifft, hat China Europa längst den Rang abgelaufen. Überall baut die Volksrepublik Straßen, Flughäfen, Bahnverbindungen. Auch Russland hat seine Neigung für Afrika entdeckt: Bei Wladimir Putins Megagipfel in Sotschi im vergangenen Jahr waren alle 54 afrikanischen Staaten hochrangig vertreten. Trotzdem bleibt Europa vor allem für die junge Bevölkerung des Kontinents ein Anziehungspunkt. Eine Umfrage von Afrobarometer vor gut einem Jahr ergab, dass fast 40 Prozent der Afrikaner ans Auswandern denken – mehr als ein Viertel davon in die EU.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2020)