Kolumne zum Tag

Wer beim Feiern vergisst, dass es nichts zu feiern gibt

Symbolbild.
Symbolbild.(c) via REUTERS (RITZAU SCANPIX)
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Die Schuldzuweisungen in der Coronakrise wechseln rasch, aber nun scheint sich vorerst ein Kreis zu schließen.

Waren es anfangs Tiroler Après-Ski-Hütten, so sind nun Promenaden auf den Balearen oder in Kroatien als Saufstraßen die neuen Hotspots.

Wer zu Beginn des Sommers reiste, schickte Fotos von leeren Stränden, einsamen Städten, und hatte alles richtig gemacht. Wer zu spät aufbrach, landete im Stau, später in der Schlange für den Virustest, und gilt generell als ziemlich verantwortungslos. In der Zeit dazwischen dominierte das Partyvolk, vorwiegend männlich, und ließ Länder, die gerade das Schlimmste überstanden hatten, wieder auf die rote Liste rutschen.

Man muss nicht immer alles verstehen. Es ist nun nicht die Zeit für Exzesse. Es ist nun aber auch nicht die Zeit, Menschen gegeneinander auszuspielen, ob nun Jung gegen Alt, Reisende gegen Daheimbleiber, Rückkehrer aus der alten Heimat gegen Wanderer auf Österreichs Bergen. Es ist nun Zeit – wofür eigentlich?

Sich zusammenzureißen, wozu der Gesundheitsminister geraten hat, ist sicher nicht das schlechteste Konzept. Sich zu beherrschen, zu verzichten, fällt allerdings leichter, wenn es eine Perspektive auf einen Moment gibt, in dem dies einmal nicht nötig ist. In dem es möglich ist, nicht immer auch an morgen zu denken.

Wer vergessen hat, wie sich dies anfühlt, hat nie seinen Eltern versprochen, bei der ersten Party allein daheim den teuren Rotwein im Keller nicht anzurühren, um dann im Morgengrauen schnarchende fremde Menschen verzweifelt wegzuscheuchen und Scherben aufzukehren. Gut für alle, denen in der Jugend nie übel war, ob nun, weil sie zu viel getrunken hatten und sie sich plötzlich wieder an Dinge erinnern konnten oder, noch schlimmer, nicht.

Wer beim Feiern vergessen hat, dass es gerade nicht viel zum Feiern gibt, hat Fehler gemacht, aber nicht die gesamte Corona-Schuld auf sich geladen. Er sollte nur in nächster Zeit nicht seine Großeltern besuchen.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2020)

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