Leitartikel

Was bis zum Ende des Tunnels verbessert werden sollte

(C) Mirjam Reither
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Ja, Österreich ist bisher vergleichsweise gut durch die Krise gekommen. Damit das künftig weiterhin so ist, muss strukturell einiges verändert werden.

Was verbindet Sebastian Kurz und Werner Faymann? Auf den ersten Blick wenig, auf den zweiten nur eines: Sie beide sind die Krisenkanzler. Stand der SPÖ-Parteichef 2008 anfangs verzagt einer weltweiten Finanzkrise gegenüber, die das Land, seine Banken, die Wirtschaft und, ja, auch die Große Koalition besser meisterten, als erwartet worden war, war und ist der junge ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz mit einem unerfahrenen Regierungspartner, mit der ersten Pandemie der jüngeren Geschichte und einer noch größeren Wirtschaftskrise als 2008 konfrontiert.

Und Kurz hatte in seiner mit großer medialer Vorbereitung und Getöse begleiteten kleinen „State of the Union“ recht, als er sagte, dass das Land auch diesmal wieder vergleichsweise besser durch die Krise gekommen sei. Bisher. Daran ist neben einer einigermaßen geeinten Politik und den verantwortlichen Institutionen die zutiefst österreichische Kombination aus Flexibilität, Kraft der Wirtschaft und – zum großen Teil – Disziplin der Bevölkerung verantwortlich.

Nach Lockdown-Treue, Einhaltung der Abstandsregeln, den finanziellen Einbußen, die fast alle Österreicher hinnehmen müssen, und einem Ausblick, der irgendwo zwischen unseren berechtigten Ängsten und dem Licht am Ende des Tunnels (Kurz) ist, dürften wir uns langsam auch eine gewisse Routine im Krisenmanagement erwarten, die leider noch nicht vorhanden zu sein scheint. Es interessiert weder die betroffenen Kroatien-Rückkehrer, die mehr als zwölf Stunden lang ohne Versorgung im Auto ausharren mussten, noch die Öffentlichkeit, ob die Beamten im Gesundheitsressort die Verordnungen weltfremd und gefährdend formulierten, oder ob lokale Behörden sie weltfremd und gefährdend lasen. Sturheit und I-Tüpfelreiterei heben wir uns bitte für die nächste Hochkonjunktur oder die übernächste Gewerbereform auf.

Ähnliche Absurditäten hören wir dieser Tage vom Impfstoff-Horten: Da ist also der Wiener Gesundheitsstadtrat stolz, dass er früher und schlauer mehr Grippeimpfstoff als seine Kollegen im Gesundheitsressort und in den Ländern eingekauft hat? Ernsthaft? Egal, ob der neue Bobo-Stadtrat klüger ist als die anderen, oder Rudolf Anschober offenbar die Pendeluhr vom Mittagsschlaf kennt: So geht das nach sechs Monaten Krise einfach nicht mehr.

Als sich die EU-Länder gegenseitig Masken und Spitalsausrüstung abspenstig machten, wurde schon der Zerfall der EU verkündet. Demnach müssten Hacker und sein Impfstoff-Wahlkampf-Coup zur Sezession des Stadtstaates Wien führen. Immerhin bewiesen die österreichischen Landeshauptleute über den Links-Rechts-Graben, dass sie miteinander und der Bundesregierung im Notfall im Unterschied zur Situation in Deutschland kompetent und ohne Eitelkeit zusammenarbeiten können. Das sollte Maßstab für die Zukunft sein.

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