Wald. Hinaus in die Natur lautet die Urlaubsdevise, vor allem in diesem Coronajahr.
Nachhaltiger Urlaub

Mit Abstand und Anstand

Ist ressourcen- und klimaschonendes Reisen einfach nur langweiliger als unsere herkömmlichen Exzesse? Nicht im Geringsten! Der komplette Kollaps der Tourismusindustrie zeigte das exemplarisch.

Vom Konzept des bazillenschleudernden Massentourismus verabschieden sich aktuell massenhaft Menschen - allein schon aus Abstandsgründen. Pauschaltouristische Urlaubsformen, dem Bedürfnis nach Sicherheit und Betreuung entsprechend, sind sowieso nicht übermäßig würdevoll oder sympathisch, dienen sie doch ich-schwachen Gruppenreisenden, orientierungslosen Disneylandbesuchern beziehungsweise zugedröhnten Ballermännern und -frauen als Vehikel, ihren Fußabdruck möglichst tief in die Region zu rammen. "Wie sie aufhalten?", fragten sich viele. Derartige Tourismusformen erzeugten ja die unerfreuliche Stilform der blondiert-bierbäuchigen Fleischpresse aus Menschen mit Roleximitaten, Lederhosen, aufgeklebten Plastikfingernägeln. Sie förderten das Ausleben konventioneller Rollenbilder und erreichten, zu den Klängen von Intelligenzhadernsängern, einen Höhepunkt im Skandal von Ischgl. Logischerweise sind Geschmacksüberschreitungsexzesse gesetzlich ununterbindbar. Gnädig schritt Corona ein und löste dieses ästhetische Problem. Schluss, Ende, Hulapalu.

Von E-Bike bis Volunteering. Während das Hauptproblem Overtourism brutal vom größeren Problem Nulltourismus verdrängt wurde, suchten viele nach individuelleren, ressourcenschonenderen, womöglich sozial verträglicheren Reiseformen. Während sich Unentwegte das Übereinanderstapeln an der kroatischen Adria gaben, legte jene wachsende Gruppe den Schwerpunkt auf das E-Bike, ersetzte den Barcelona-Wochenendtrip durch eine Eisenbahnfahrt in die Sächsische Schweiz, hatte den Bürosessel so satt wie den Liegestuhl, fühlte sich besser mit der Heugabel und beteiligte sich bald an kniffligeren Aufgaben wie Melken oder Feldbewirtschaftung   "Urlaub am Bauernhof" mit aktiver Mithilfe boomte ebenso wie andere Mitarbeiterbeschäftigungen.
Im Schleswig-Holsteiner Wattenmeer etwa leistet die Seehundstation Friedrichskoog wertvolle Arbeit im Zusammenfangen von in Stürmen und Gewittern verlorenen Seehundbabys, die aufgezogen und wieder ausgesetzt werden - Praktikumswillige sind willkommen.
Freiwillige Beteiligung an wissenschaftlichen Projekten, der Bereich Volunteering, verzeichnete ungeahnte Zuwächse. Wenige Veranstalter bieten sie so exemplarisch an wie Biosphere Expeditions. Bei ihren Natur- und Artenschutzexpeditionen erforschen die Kundinnen und Kunden Braunbären in Schweden, um Konflikte mit Dorfbewohnern zu entschärfen, helfen Meeresschildkröten in Costa Rica beim Überleben, analysieren das Verhalten des raren Schneeleoparden in Tien Shan, leisten Zählungsarbeit bei der Wal- und Delphinforschung auf den Azoren.

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