Krimi

Das Leben ist ein einziger Betrug

Massimo Carlotto
Massimo Carlotto
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Der Italiener Massimo Carlotto lässt viel von seiner Lebensgeschichte in den Krimi „Die Frau am Dienstag“ einfließen.

Fanzago Bonamente ist ein in die Jahre gekommener Pornostar, der seit seinem Schlaganfall zu unkontrollierbaren Tränenausbrüchen neigt. Nicht gut fürs Geschäft. Sein Ein und Alles ist Alfonsina Malacrida, die Frau, die er liebt und die jeden Dienstag zwischen drei und vier Uhr seine Gigolo-Dienste in Anspruch nimmt. Ort dieser Treffen ist die Pension Lisbona, die von dem alternden Transvestiten Signor Alfredo mit viel Liebe und Herzblut geführt wird. 

Das ist das durch und durch schräge Personal aus „Die Frau am Dienstag“, dem reizvollen Krimi des italienischen Schriftstellers Massimo Carlotto. Seinem schriftstellerischen Händchen und seiner Sympathie für Figuren am Rande der Gesellschaft ist es zu verdanken, dass die Belegschaft in keiner Sekunde freakig erscheint. Im Gegenteil, man fühlt mit ihnen und wünscht ihnen, dass sie heil aus dem Schlamassel herauskommen, in das sie ein Cocktail aus Eifersucht, unglücklichen Zufällen und einer Vergangenheit, die nicht vergessen bleiben will, stürzt. 

Auf eine solche Vergangenheit blickt auch der Autor selbst zurück. Massimo Carlotto, Jahrgang 1956, fand 1976 in Padua eine ermordete Studentin in ihrer Wohnung. Vom Zeugen war es nur ein kleiner Schritt zum Verdächtigen, mangels an Beweisen wurde Carlotto zunächst jedoch für unschuldig erklärt. 1978 verurteilte ihn ein Gericht in Venedig zu 18 Jahren Haft. Carlotto floh bis nach Mexiko, von wo er drei Jahre später ausgeliefert wurde. Nach sechs Jahren in einem italienischen Gefängnis wurde Carlottos Fall, auch auf Grund von großem öffentlichen Druck, neu aufgerollt und das Urteil 1993 aufgehoben. 

Diese Erfahrungen verarbeitete Carlotto nach seiner Freilassung immer wieder in seinen Büchern, vor allem in der 1995 erschienenen Autobiografie „Der Flüchtling“. Als Krimi-Autor machte sich Carlotto mit der Reihe rund um den „Alligator“ einen Namen, einen Privatdetektiv ohne Lizenz und mit ausgeprägtem Hang zum Calvados.

„Die Frau am Dienstag“ enthält viele Elemente, die seine Fans am Werk von Carlotto schätzen. Das Buch ist ebenso menschlich wie systemkritisch, philosophiert poetisch über das Wesen harter Getränke und hinterlässt beim Leser einen Hauch jener persönlichen Bitterkeit, die Carlotto wohl nie wird abschütteln können: „Du bist nichts als ein alter Zirkusbär und musst nach der Musik der Polizei und der Klatschpresse tanzen, damit sich die Masse der grausamen Idioten da draußen amüsieren kann“, heißt es am Ende des Buches, an dem wieder einmal eine Flucht steht. 

Massimo Carlotto: Die Frau am Dienstag, übersetzt von Ingrid Ickler, Folio Verlag, 220 Seiten, 22 Euro

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