Mit dem neuen „Mulan“-Film will Disney Chinas Kinos erobern. Die Zeichentrickversion von 1998 floppte dort völlig.
Film

Wenn Hollywood vom chinesischen Traum erzählt

Chinas Einfluss auf die US-Filmindustrie ist groß. Um den Geschmack chinesischer Zuschauer (und Zensoren) zu treffen, wird umgeschrieben und dazu erfunden. Auch die Neuverfilmung von »Mulan« (nur im Stream auf Disney+) versucht den Brückenschlag zwischen traditionell chinesischen Tugenden und amerikanischem Traum.

„Bei der Produktion dieses Films wurden keine Inhalte verändert, um chinesische Zensoren zufriedenzustellen“: Geht es nach dem größten Autorenverband der Welt, könnten Hollywoodfilme künftig mit einem solchen Hinweis im Abspann beendet werden, ähnlich jenen Erklärungen, dass bei einem Filmdreh keine Tiere zu Schaden gekommen sind. Dass das Reich der Mitte gern mitredet in den Drehbuchbesprechungen der großen Hollywoodstudios, und dass diese, um in Chinas Kinos zu kommen, gern mal chinesische Helden für ihre Geschichten dazuerfinden, falsche Flaggen ausradieren oder heikle Themen streichen, ist kein Geheimnis mehr.

Beispiele gibt es zuhauf. Sie reichen von skurrilem Product Placement – wenn etwa Mark Wahlberg im vierten „Transformers“-Film mitten im ländlichen Texas mit einer Kreditkarte der China Construction Bank Geld abhebt – bis zu politisch brisanten Figurenänderungen: So wurde aus einem tibetischen Mystiker im Superheldenfilm „Doctor Strange“ eine keltische weiße Frau, gespielt von Tilda Swinton – um nicht „eine Milliarde Menschen zu verprellen“, wie der Drehbuchautor erklärte. Es gibt Indizien, dass der chinesische Einfluss nun auch die Jacke von Tom Cruise erfasst hat: Wo in „Top Gun“ 1986 eine taiwanesische Flagge auf dem Leder prangte, ist im Trailer zur Fortsetzung, die nächstes Jahr kommen soll, ein bedeutungsloses Symbol zu sehen.

In den USA wurde das Thema nun zum Politikum: Chinesische Zensoren müssten gar nichts mehr sagen, weil „Hollywood ihre Arbeit für sie macht“, polterte der US-Justizminister, William Barr, im Juli. Die Filmindustrie, dieser „selbsternannte Richter über soziale Gerechtigkeit, verbietet sich selbst die mildeste kritische Darstellung von China“, fiel Außenminister Mike Pompeo ein. Der texanische Senator, Ted Cruz, brachte im Mai gar ein Gesetz ein, wonach Filme, die den Wünschen Chinas nachkommen, keine staatlichen Förderungen mehr beziehen sollen.

Selbstzensur? Dass sich republikanische Politiker gegen Hollywood und China aussprechen, mag nicht verwundern – doch in dieser Sache stimmt nun auch der Autorenverband Pen America mit ein: In einem 94-seitigen Bericht kommt er zum Schluss, dass die amerikanische Filmindustrie mit ihren „neuen Sitten“ die Meinungsfreiheit aufs Spiel setze. Hollywood dulde nicht nur chinesische Zensur, sondern zensiere sich aus vorauseilendem Gehorsam gleich selbst. Die Empfehlung des Verbands: Studios mögen, wenn sie schon auf chinesische Wünsche eingehen, wenigstens die internationale Version ihrer Filme unangetastet lassen. Und sie sollen alles offenlegen – in jährlichen Berichten oder eben mit einem Hinweis im Abspann.

Tatsache ist: Will ein Studio das große Geld machen, braucht es das chinesische Publikum. An den nordamerikanischen Kinokassen wurden 2019 11,4 Milliarden Dollar umgesetzt, an zweiter Stelle folgte China mit rund neun Milliarden. Zwar sinkt in China, dessen eigene Filmindustrie rasant wächst, die Dominanz Hollywoods. Doch für fast alle US-Kassenschlager der vergangenen Jahre war China nach dem heimischen der zweitwichtigste Markt. „Für jeden großen Blockbuster ist China essenziell“, sagt auch Stanley Rosen zur „Presse am Sonntag“. Der Politikwissenschaftler an der University of Southern California, der auch an der Pen-Studie mitwirkte, erforscht, wie China seine „Soft Power“ nutzt, um kulturellen Einfluss auszuüben – auch in Hollywood. „Da will man nichts tun, was China verärgern könnte“, sagt er.

Mehrere Wege führen ins chinesische Kinoprogramm. Einer über eine Quotenregelung: Offiziell werden pro Jahr 34 ausländische Filme zugelassen, tatsächlich durften zuletzt immer mehr starten, 2018 waren es 42. Ein Gesetz regelt, welche Inhalte erlaubt sind: nichts, was der „nationalen Würde“ und der „sozialen Ordnung“ schadet, nichts, was „Aberglauben“ nährt, nichts, was Pornografie, Glücksspiel, Drogenkonsum oder Gewalt verherrlicht.

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