Sally Rooneys Roman „Normale Menschen“ liegt nun endlich auch auf Deutsch vor (Luchterhand Verlag, 320 Seiten,  € 20).
Literatur

»Nur keine Zeit verschwenden«

Sie mag keine Landschaften beschreiben. Und sie findet, Romane seien nun einmal politisch. Die irische Autorin Sally Rooney über ihr gefeiertes neues Buch.

Manchmal macht man sich als Leser auch zu viele Gedanken – etwa über einen Titel. „Normale Menschen“ heißt das zweite Buch von Sally Rooney, und man ist verwirrt. Denn schließlich geht es in diesem Roman eben nicht um „normale“ Teenager. Sondern um die Außenseiter. Um die, die in den Augen der anderen seltsam sind, verschroben. Etwa um Marianne mit ihrer ruppigen Art, den heftigen Sprüchen und den Zweifeln. Sie wisse nicht, was mit ihr nicht stimme. Warum sie nicht einfach wie ein normaler Mensch sein könne, sagt sie einmal, als sie neben Connell im Bett liegt.

Geht es darum? Um die Sehnsucht, zu sein wie alle anderen? Oder will uns Rooney mit dem Titel sagen – was für eine schöne Botschaft –, dass Marianne eben das ist: Normal? Letztlich feiert der Roman ja gerade das gewöhnliche, gar nicht spektakuläre Leben, das keine großen Schicksalsschläge braucht, um wichtig zu sein und erzählenswert. Ein Leben wie deins und meins.

Doch nichts dergleichen. Rooney hatte den Roman ganz anders nennen wollen, nämlich „Szenen einer Freundschaft“. Aber das war zu nahe am Titel des ersten Buches, der Verleger erhob Einspruch, man suchte gemeinsam einen anderen. Rooney: „Ganz glücklich bin ich immer noch nicht damit.“

„Gespräche mit Freunden“, das Debüt der mittlerweile 30-jährigen Irin, war ebenso aus dem einfach komplizierten Leben einer jungen Frau gegriffen und veranlasste die „New York Times“, Rooney zur „ersten großartigen Autorin der Generation Millennial“ auszurufen. Ihr zweiter Roman, von der „Times“ zum besten Roman des Jahres gekürt und vom „Guardian“ als „zukünftiger Klassiker“ gepriesen, wurde prompt zum Serienstoff („Normal People“ auf Starzplay).

Er handelt von der Liebe, die hier groß und doch fragil ist, von Missverständnissen bedroht, und man erinnert sich unwillkürlich an die Romane George Eliots, etwa an „Middlemarch“ oder an „Daniel Deronda“, den Rooney in der Widmung erwähnt. Und so wie auch bei George Eliot gibt es bei Sally Rooney unter der romantischen Oberfläche einen politischen Subtext: Connell, dessen Mutter putzt und dessen Onkel im Gefängnis sitzt, hat sich durch Charme, Fleiß und Freundlichkeit die Achtung seiner Klassenkameraden erzwungen. Marianne dagegen kommt aus „gutem Hause“.

Kann man sagen, sie kann es sich leisten, Lehrer und Schüler vor den Kopf zu stoßen? Und kann man Connell dafür verurteilen, dass er die Liebe zu Marianne geheim hält – aus Angst, andere könnten ihn verspotten? Rooney erzählt von Macht, die jeder hat. Und die jeder missbraucht.

„Der Roman ist an sich eine politische Form. Fast immer erzählt er von der Interaktion seiner Charaktere und ihrem sozialen Umfeld. Dieses Umfeld ist nun einmal geprägt von politischen und ideologischen Strukturen. Und ich beobachte mit ganz besonderem Interesse, welche Art von Druck diese Strukturen auf die Menschen und ihre Beziehungen ausüben.“

Gedanken, Gefühle, Gespräche. Ob sie deshalb so wenig beschreibt? Ob man sich deshalb die Gesichter, Wohnungen, Straßenzüge selber ausmalen muss? Rooney schreibt, ohne sich lange bei äußerlichen Details aufzuhalten, fast lapidar, manche würden es kunstlos nennen. „Es stimmt, ich beschreibe ungern Gegenstände oder Umgebungen. Aber ich beschreibe gerne, wie Leute fühlen, welche Überlegungen sie anstellen.

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