Radsport

Wenn der Erfolg die Mission überholt

Team Ineos Grenadier fährt in Frankreich um den achten Sieg bei der Tour de France in neun Jahren, die Konkurrenz hat allerdings aufgeholt.
Team Ineos Grenadier fährt in Frankreich um den achten Sieg bei der Tour de France in neun Jahren, die Konkurrenz hat allerdings aufgeholt.REUTERS
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Die eigene Philosophie verkauft, das Personal rundum erneuert. Die Dominanz von Ineos bei der Tour de France steht auf dem Prüfstand wie nie.

Zehn Jahre ist es her, dass der britische Rennstall Sky mit einer klaren Mission in die Radsportwelt getreten ist: Den ersten britischen Sieger bei der Tour der France zu stellen. Bereits 2012 brachte Bradley Wiggins das ersehnte Gelbe Trikot nach Paris – und aus dieser Zieldurchfahrt wurde der Beginn einer Ära, die ihresgleichen sucht. Denn auf Wiggins folgte Chris Froome (2013, 2015, 2016, 2017) und danach Geraint Thomas (2018). Beim Grand Départ am Samstag in Nizza ging Ineos, wie das Team seit dem Vorjahr heißt, mit dem kolumbianischen Titelverteidiger Egan Bernal an den Start.

Neu ist in Frankreich nicht nur der Name, zu Promotionzwecken Ineos Grenadier, mit Froome und Thomas fehlen auch zwei große Namen der Vergangenheit. Längst hat sich die Gründungsphilosophie des Rennstalls überholt, der Erfolg jedoch ist geblieben. Allerdings fehlte schon dem Ineos-Triumph 2019 die Aura der Unantastbarkeit früherer Jahre, als die Mannschaft das Gelbe Trikot wie ein Eilzug nach Paris trug. Und die Konkurrenz, angeführt vom niederländischen Jumbo-Visma-Team, hat aufgeholt. Kann Ineos seine Vormachtstellung mit dem achten Sieg innerhalb von neun Jahren trotzdem fortschreiben?

Die neue Garde. Die 107. Auflage der Rundfahrt ist schon wegen der Umstände eine besondere und die Ausgangslage spannend wie lange nicht. Mit seinen Nominierungen hat Ineos Diskussionen aufgeworfen, die es früher nicht gegeben hätte. So sollen Bernal mit dem Ecuadorianer Richard Carapaz, der eigentlich für den Giro vorgesehen war, und dem Russen Pawel Siwakow ausgerechnet zwei Tour-Debütanten durch die Berge helfen – und der Weg durch die Pyrenäen und Alpen bis nach Paris ist weit.

Im Vorjahr hat Bernal Froomes Ausfall bravourös kompensiert und sich mit 22 Jahren zum jüngsten Tour-Sieger seit 1909 gekürt. Ineos aber zeigte ungewohnte Schwächen, statt der geballten Kraft stand dem Jungstar bei den schwierigen Anstiegen oft nur ein Helfer zu Seite. Inzwischen hat der Rennstall den Umbruch weiter vorangetrieben, mit Luke Rowe und Michał Kwiatkowski sind nur noch zwei Fahrer der „alten Garde“, die schon vor 2018 beim Team war, mit von der Partie. Nicht zu unterschätzen ist der Verlust von Nicolas Portal, der Sportliche Leiter erlag im März einem Herzinfarkt. Noch mehr als der Stratege hinter sechs der sieben Tour-Siege war der Franzose das Herz der Mannschaft. Denn Teammanager Dave Brailsford wird für sein Fachwissen geschätzt, nicht für Nettigkeiten oder Sentimentalitäten.

Bernal geht diesmal mit dem doppelten Druck als Kapitän und Titelverteidiger ins Rennen, ohne Froome und Thomas wird sich das Medieninteresse noch mehr auf ihn konzentrieren. Der 23-Jährige ist aber keiner, der das Rampenlicht sucht. Im Gegensatz zu Landsmann Nairo Quintana zeigt sich Kolumbiens erster Tour-Sieger auch in der Heimat selten öffentlich, im Vorjahr umging er Ehrungen so weit als möglich und hielt nur eine kleine Feier ab.

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