Gartenkralle

Das späte Duften

Duften in der Nacht: Nachtkerze und Ipomoea.
Duften in der Nacht: Nachtkerze und Ipomoea.Woltron
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Auch wenn wir den Sommer lieben, müssen wir uns langsam von ihm verabschieden, doch die späten nachtduftenden Pflanzen versüßen sein Schwinden, denn alles hat auch sein Gutes.

Es gibt eine Übung, die sich in fast allen Lebenslagen bewährt, und sie geht so: Finde, auch wenn die Umstände misslich scheinen, das Gute an der Situation. Eine vorzügliche Gelegenheit dazu bot beispielsweise die heurige Kartoffelmissernte. Sie erfolgte unlängst an einem späten Nachmittag. Die Temperatur lag immer noch deutlich über 30 Grad, der Föhnsturm wühlte im trockenen Laub der durstigen Bäume. Die Erde des Äckerchens darunter war knochentrocken und wies gemeinsam mit den erstaunlich rasch eingedrungenen Baumwurzeln der Umgebung die Konsistenz gut abgebundenen Stahlbetons auf. Eigentlich war es noch zu früh, um die guten Erdäpfel herauszustemmen, doch die Schnecken waren heuer so zahlreich gewesen, dass sie erstmals in der Geschichte dieses Grundstücks sogar das Erdäpfelkraut aufgefressen hatten.

Wo oberhalb keine Blätter mehr sind, die für Kraft sorgen, kann unterhalb die Knolle nicht schwellen, dafür beginnen die Drahtwürmer an den Kartoffeln zu nagen, also mussten sie in Sicherheit gebracht werden. Die knochenharte Scholle aufzuwühlen gestaltete sich kräfteraubend, und nach einer Stunde des Herumhüpfens auf der Grabgabel begann ich, als geübte Optimistin, nach dem Guten in der Situation zu suchen. Das Äckerchen ist Gottlob klein, war einer der Gedanken. Die erste Hälfte ist erledigt, die zweite würde bis zur Dämmerung zu schaffen sein. Immerhin. Ein Lichtblick.

Angesichts der Ausbeute hätte abermals Verdruss aufkommen können. Bis auf ein paar löbliche Ausnahmen gab der Boden nur winzige Kartöffelchen in geringen Mengen preis. Nun gut, das hatte man sich zwar ergiebiger erhofft, andererseits schmecken die kleinen, gleich mitsamt Schale verspeist, bekanntlich besonders gut. Ein bisschen Butter darauf oder Schnittlauchtopfen und das Festmahl ist bereitet. Insgesamt also eine verkraftbare und somit abgehakte Niederlage.

Zwischenzeitlich war die Sonne untergegangen. Die Nächte haben längst begonnen, die Ränder der Tage anzuknabbern und das Ende des Sommers auszurufen. Schade, doch andererseits kommt die Finsternis Frühschläfern zugute. Auch die Hitze ließ nach, die Dämmerung sank herab, Taubenschwänzchen und andere Schwärmer durchschwirrten den Garten, und dann begann das große Duften. Die Spätsommernacht entwickelt ihren eigenen Reiz, wenn rundum im Garten die Duftpflanzen ihre Blüten öffnen.

Das Nachtparfüm kann so süß und schwer sein, dass es, im linden Luftzug strategisch geöffneter Fenster, das gesamte Haus durchströmt. Eine der intensivsten Dufterinnen ist etwa die beliebte Datura. Viel Wasser und viel Dünger benötigt sie, um zu gedeihen und um viele Blütenknospen anzusetzen. Die riesenhaften Glocken der Engelstrompete lohnen die ohnehin geringe Mühe. Sie locken zahllose Falter an, und ihr Duft ist kaum zu beschreiben. Ein Hauch Zitrone liegt darin, aber auch viel Süße. Viele Nachtblüherinnen öffnen ihre Knospen abends, und wenn dann die Sonne wieder aufgeht, welken sie schnell dahin, so auch im Fall der Datura.

Andere Pflanzen blühen länger und auch tagsüber weiter, senden jedoch nur in der Finsternis ihren Duft aus, um Bestäuberinsekten anzulocken. Dazu gehört der Hohe Phlox, dessen Spätsommerblütenfülle tagsüber nach nichts, nach Dämmerung jedoch nach 1001 Nacht duftet. Das Geißblatt zählt ebenfalls zu dieser Liga, in seinem Fall duften jedoch nur die hell blühenden Sorten. Honeysuckle nennt die Englisch sprechende Welt die Pflanze nicht zu Unrecht, man ist versucht, selbst an den Quellen dieses Duftes zu saugen.

Eine seit Langem eingemeindete nordamerikanische Nachtschönheit ist auch die gelbe Nachtkerze, die ihre Blüten ebenfalls nur nächtens trägt und frühmorgens abblüht. Der Tabak duftet noch intensiver, doch auch hier braucht man die hellen, meist weißen oder rosa Sorten. Das ist die Faustregel für die Nachtdufterinnen: Die besten von ihnen sind hell gefärbt, sie leuchten den Insekten nicht nur mittels Duft den Weg. Mondblume, Sternbalsam, Nachtjasmin, Türkenbundlilie und Levkoje gehören dazu, die fein gestickten Blüten mancher Gurkenarten, und für Liebhaber von Zimmerpflanzen sei auch noch die nachts duftende Wachsblume und die abenteuerlich intensiv parfümierte Tuberose erwähnt.

Der Sommer rollt dem Herbst entgegen, doch soll uns das, die wir die Hitze lieben, nicht verdrießen. Die ersten Herbstastern haben ihre Blütensternchen bereits aufgemacht, die späten Gräser beginnen ebenfalls zu blühen, die Kreuzspinnen sind fett gefressen, der Herbst steht vor der Tür. Es nützt klein Klagen, er ist größer als wir.

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