Kulinarik

Vom Arme-Leute-Essen zur Spitzenküche

Haubenkoch Benjamin Parth serviert seinen (internationalen) Gästen gern typisch Tirolisches. „Sonst ist man austauschbar.
Haubenkoch Benjamin Parth serviert seinen (internationalen) Gästen gern typisch Tirolisches. „Sonst ist man austauschbar.(c) Philipp Jochum/ProMedia
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Die Tiroler Küche schafft den Spagat zwischen bodenständigen Klassikern und internationalem Fine Dining. Die Coronakrise hat das Regionale noch mehr in den Mittelpunkt gerückt.

Die Tiroler Küche hat das nicht verdient. Aber es ist dieser Tage nur schwer möglich, über die kulinarischen Seiten des Bundeslandes zu reden, ohne dabei an Corona vorbeizukommen. Das ist natürlich Ischgl zu verdanken, das eigentlich für seine Dichte an hoch dotierten Haubenlokalen bekannt ist. Diese Besonderheit wird allerdings noch eine Zeit von seinem Ruf als Corona-Cluster überschattet sein. Denn egal welchen Tiroler Spitzenkoch man nach der Tiroler Küche fragt: Die Zeitrechnung wird auch hier in vor und nach (oder besser seit) Corona unterteilt.

Und seit Corona aufgetaucht ist, ist auch in Tirol einiges anders. Wobei so ganz anders auch wieder nicht. Es wird nur ein Trend, der seit Jahren präsent ist, plötzlich enorm verstärkt. „Regionalität ist seit zehn Jahren ein Thema, aber jetzt hat sie einen richtigen Schub bekommen“, sagt Martin Sieberer, der seit rund 20 Jahren in der Paznaunerstuben auf sehr hohem Niveau kocht.

Alle auf der Alm. Für den Haubenkoch Simon Taxacher hat das auch damit zu tun, dass die Menschen jetzt mehr in den Bergen sind. „Jetzt in der Coronazeit lebt die Hütten-Almwirtschaft wieder voll auf. Die Leute sind mehr in den Bergen und die typischen Tiroler Produkte werden mehr geschätzt. Es geht auch wieder zurück zur Selbstproduktion“, sagt Taxacher, dessen Restaurant coronabedingt Sommerpause hat. Erst im Dezember wird der Rosengarten Taxacher wieder aufsperren.

Ähnlich sieht das auch Benjamin Parth, der sich längst vom jungen Shootingstar der Tiroler Gastronomie zur fixen Größe etabliert hat. „Was jetzt in den Vordergrund rückt, ist unsere Gastlichkeit“, sagt er. Auch er ist der Meinung, dass die Regionalität derzeit einen speziellen Hype erlebt. Und die mache auch die Tiroler Küche aus. Jede Region hat ihre eigenen Spezialitäten, die es nur dort in dieser Qualität gibt. Besonders hat es Parth aber die Tiroler Butter angetan. „Die beste Butter kommt für mich aus Tirol, die ist für mich sehr wichtig, auch als international ausgerichtetes Restaurant. Wenn ich keine Tiroler Butter habe, bin ich angespannt.“ Oder auch der Bergthymian. „Der ist nicht vergleichbar mit normalem Thymian, er ist viel wilder und herber.“

Parth versucht möglichst viele Tiroler Produkte zu verwenden, was im Sommer natürlich einfacher ist (wobei da auch sehr viel für den Winter eingekocht wird). So zählt etwa der Seesaibling im Ganzen mit Enzianschaum und Erdäpfelpüree zu seinen berühmten Gerichten. Denn speziell internationale Gäste schätzen es, wenn in zumindest zwei oder drei Gängen typisch Tirolerisches serviert wird. „Sonst ist man austauschbar.“ Andererseits ist ihm auch eine Weltoffenheit wichtig. „Der Gast erwartet sich auch ein Luxusprodukt wie Languste oder Steinbutt. Tirol liegt ja auch näher am Meer als Wien.“

Was Parth an der Tiroler Küche schätzt, ist die Bodenständigkeit und ihre Einfachheit. In der klassischen, bäuerlichen Tiroler Küche kommt ein Gericht mit sehr wenig Zutaten aus. Da ist es umso wichtiger, dass diese von guter Qualität sind.

Ähnlich sieht das Simon Taxacher. „Kaspressknödel, Kasspatzen oder ein hausgemachter Graukäse waren früher Arme-Leute-Essen. Heute sind das gute Sachen, mit hochwertigen Produkten. Das wird wieder mehr geschätzt.“ Der Trend gehe wieder weg vom „Schnickschnack“ hin zu traditionellen, ursprünglichen Gerichten.

Taxacher würde sich freuen, wenn sich noch mehr kleine Produzenten trauen würden, gewisse Produkte zu verwenden. Speziell beim Gemüse sei es schwierig, Lieferanten zu finden. „Da habe ich ein gutes Netzwerk in Südtirol, das ist ja auch nicht so weit weg. Die sind uns da ein bisschen voraus“, meint er. Tirol hätte da also noch Potenzial.

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