Leitartikel

Langsam sollte man zur politischen Normalität zurück­kehren

imago images/Michael Weber
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Die Bekämpfung der Coronakrise hat alle politischen Ressourcen gebunden. Es wird Zeit, dass man sich auch wieder mit anderen Fragen beschäftigt.

Manchmal beschreibt eine Karikatur eine Situation besser und treffender als jede seitenlange Analyse. In den sozialen Medien wurde dieser Tage ein Bild herumgeschickt, das die Comicfigur Snoopy von Charles M. Schulz vor einer Schreibmaschine zeigt. „Liebes 2020“, tippt Snoopy, „zuerst möchte ich Dich wissen lassen, dass ich diesen Brief mit dem Mittelfinger schreibe . . .“

2020 ist unser aller Annus horribilis. Das Coronavirus hat die Gesellschaft, die Wirtschaft, das Alltagsleben nachhaltig verändert und wird sie noch weiter verändern. Die Rückkehr zur Normalität, die sich unter anderem Bundeskanzler Sebastian Kurz für Sommer 2021 erhofft, wird nicht die Normalität von 2019 sein.

Corona hat auch die Politik nachhaltig bestimmt: Alle großen Pläne und Vorhaben, die es für heuer gab, gingen im Kampf gegen die Verbreitung und die Folgen der Krankheit unter. Jetzt aber wird es Zeit, zumindest politisch in die Normalität zurückzukehren. Es müssen nicht mehr alle Ressourcen aller Ministerien gebunden werden, deren Chefs teilweise vielleicht sogar recht froh waren, sich mit dem Hinweis auf Corona um die Beschäftigung mit heiklen Themen drücken zu können. Nichts eint eine Regierung schließlich mehr als eine Krise.

An oberster Stelle der Agenda steht die Ökosteuerreform, das Prestigeprojekt der Grünen, das der Wirtschaftspartei ÖVP natürlich weit weniger Anliegen ist. Man wird sich die Reform leisten müssen, auch wenn eine Budgetplanung in diesen Zeiten schwierig ist und sich der Staat gerade mit vielen Milliarden auf die nächsten Jahre verschuldet hat.

Die Klimakrise ist eine weitaus größere Bedrohung für die Menschheit, die aber nicht mit der Wucht eines Virus zuschlägt, sondern deren Folgen sich nur langsam und nach und nach zeigen. Deswegen wirkt sie auch weitaus weniger bedrohlich. Österreich hat sich in seiner Umweltpolitik in der Vergangenheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert: Während viele andere Staaten einen Rückgang der CO2-Emissionen erreichten, sind sie in Österreich in den vergangenen Jahren gestiegen. Ein groß gefeiertes Sinken der Emissionen hatte man schlicht dem Umstand zu verdanken, dass ein Hochofen der Voest wegen Wartungsarbeiten nicht in Betrieb war.

Man muss jetzt die Chance nützen, mit einer Ökosteuerreform eine grüne Wende einzuleiten. Staatliche Hilfen in der Coronakrise sollte man noch mehr an umweltfreundliche Kriterien knüpfen, als man das etwa schon bei der Investitionsprämie gemacht hat. Am Ende wird man wohl auch um eine Bepreisung des CO2-Ausstoßes nicht herumkommen. Hier wird die ÖVP über ihren Schatten springen müssen – auch im Interesse des Koalitionsfriedens. Die Grünen haben in dieser Regierung schon viel schlucken müssen, ohne ein achtbares Ergebnis bei der Ökosteuerreform macht die Regierungsbeteiligung für sie keinen Sinn.

Untergegangen ist auch das schon für die Zeit vor dem Sommer angekündigte Transparenzpaket, das Österreich in die „Champions-League der Transparenz“ katapultieren sollte, wie Grünen-Chef Werner Kogler angekündigt hat. Endlich sollen die Österreicher die Möglichkeit haben, die Behörden zu hinterfragen, und ein Recht auf Auskunft erhalten. Was passiert stattdessen? Die Regierung legt beispielsweise das AUA-Rettungspaket nicht im Detail offen. Die, die dafür zahlen müssen, dürfen nicht wissen, wofür sie genau bezahlen.

Die Entscheidung über neue Hubschrauber beim Bundesheer? Niemand spricht darüber. Mehr Plätze für die Psychotherapie – gerade in diesen Zeiten ein wichtiges und drängendes Vorhaben? Nichts. Maßnahmen, um die staatlichen Nebenkosten beim Kauf einer Wohnung zu senken? Eine Wiedereinführung der Spekulationsfrist (Steuerfreiheit beim Aktienverkauf nach einem Jahr), um Aktienbesitz attraktiver zu machen? Wir haben nichts gehört.

Es sind nicht nur große Vorhaben, die im politischen Diskurs ein Opfer des Coronavirus wurden, es gibt auch viele kleine, deren Umsetzung schnell und leicht gehen würde. Man sollte sie langsam angehen.

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