Die Waldbrände breiten sich weiter aus, zudem steigt die Angst vor Freisetzung von radioaktiven Stoffen, auch in Tschernobyl. In Moskau ist die Sterberate um 50 Prozent nach oben geschnellt.
Moskau (ag). Die markanten Türme des Kreml waren am Freitag nur schemenhaft auszumachen: Zu dicht war der Smog, der die russische Hauptstadt einhüllte. Stellenweise konnte man nicht weiter als wenige Meter sehen. Der dichte Rauch drang in Wohnungen und Büros ein.
Am Flughafen Domodedowo mussten Flüge abgesagt oder umgeleitet werden. Behörden wiesen alte und kranke Menschen an, zu Hause zu bleiben. Viele Moskauer litten unter Atemwegbeschwerden und Hustenreiz. Die Konzentration von Schadstoffen in der Luft lag viermal so hoch wie üblich, es war damit die stärkste bisher verzeichnete Luftverschmutzung in Moskau.
Wegen der seit Wochen andauernden Jahrhunderthitze und des Rauchs von Torfbränden im Moskauer Umland erhöhte sich die Sterberate dramatisch: Nach Angaben des Moskauer Standesamtes stieg die Zahl der Toten im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat um etwa 50 Prozent auf 14.340.
Nach Angaben des Ministeriums für Notlagen loderten am Freitag mehr als 500 Brände. Bisher kamen mindestens 52 Menschen in den Flammen ums Leben, bis zu 2000 Wohnhäuser wurden zerstört. Die Behörden haben eingeräumt, dass die derzeit eingesetzten 10.000 Feuerwehrleute möglicherweise nicht ausreichen. Premier Wladimir Putin will außerdem künftig die Feuerwehren des Landes besser ausrüsten.
Das Außenministerium in Wien forderte Österreicher in den Krisenregionen auf, diese Gebiete zu verlassen.
Räumung von Munitionslagern
Einsatzkräfte transportierten unterdessen vorsorglich Sprengstoff und Munition aus gefährdeten Militäreinrichtungen ab. Brände in der Nähe einer Atomforschungsanlage in Sarow 400 Kilometer östlich von Moskau wurden mithilfe von Flugzeugen, Hubschraubern und Robotern bekämpft. Am Freitag loderten noch zwei Brände. Die Spezialkräfte kämpfen seit Tagen gegen die Gefahr radioaktiver Bedrohungen. Trotz starken Rauchs, der die Arbeiten behindere, sei die Lage unter Kontrolle, teilte die Feuerwehr mit.
Bedenklich schien die Situation zunächst in der vom Unfall im Atomkraftwerk Tschernobyl (Ukraine) verseuchten Region zu sein. Zivilschutzminister Sergej Schoigu hatte gewarnt, dass die Brände radioaktive Stoffe im Gebiet von Brjansk aufwirbeln könnten. Mittlerweile wurde Entwarnung gegeben. Für Russlands Atomwaffen stellen die Waldbrände keine Gefahr dar – behauptet zumindest ein Armeesprecher. Meinung S. 31
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2010)