Hat Haider über Jahre ein kriminelles Netzwerk aufgezogen? Ist Karl-Heinz Grasser nur eine Nebenfigur?
Haider war der Chef, nicht Grasser“, sagt Walter Meischberger im „Presse“-Interview. War Jörg Haider wirklich derjenige, bei dem alle Fäden zusammenliefen? Hat er, unabhängig von nicht bestätigten Millionenkonten im Ausland, über Jahre ein kriminelles Netzwerk aufgezogen? Ist Karl-Heinz Grasser, bisher als eine der Hauptdrehscheiben in diversen Wirtschaftsfällen gehandelt, nur eine Nebenfigur?
Tatsache ist, dass der ehemalige Kärntner Landeshauptmann und BZÖ-Chef zumindest indirekt an sehr vielen Geschäften beteiligt war, die jetzt von der Justiz untersucht werden: Der Buwog-Verkauf an die Immofinanz im Jahr 2004 etwa war nur möglich, weil Haider zuvor auf das Vorkaufsrecht des Landes Kärnten für die ESG-Villach verzichtet hatte. Die vor einem Jahr notverstaatlichte Hypo Alpe Adria hatte den Herrn Landeshauptmann immer wieder finanziell bei seiner „Brot und Spiele“-Politik unterstützt und fragwürdige Projekte finanziert. Beim Verkauf der Hypo an die BayernLB flossen zwei Millionen Euro an den von Haider protegierten Fußballverein SK Austria Kärnten. Die Justiz in München und Klagenfurt prüft derzeit, ob das Geld eine Gegenleistung für Haiders Zustimmung zum Hypo-Verkauf war. Aussagen des ehemaligen Chefs der BayernLB, Werner Schmidt, deuten recht klar in diese Richtung.
Aus fast jeder Schublade, die Staatsanwälte im In- und Ausland derzeit öffnen, quellen neue Verdachtsmomente. Ermittelt wird wegen Amtsmissbrauchs, Bestechung, Schmiergeldzahlungen und Geldwäsche. Und fast alle Personen, die derzeit im Umfeld seltsamer Transaktionen genannt werden, kommen aus Jörg Haiders Bekanntenkreis: Karl-Heinz Grasser, Walter Meischberger, Gernot Rumpold und Gerald Mikscha gehörten zur Buberlpartie. Wolfgang Kulterer war als Chef der Landesbank abhängig vom Kärntner Landeshauptmann, mit Gadhafi-Sohn Saif war Haider persönlich befreundet.
„In Kärnten ist die Sonne vom Himmel gefallen“, sagte Gerhard Dörfler nach Haiders Tod im Oktober 2008. In diesem Trauerpathos steckte viel Wahrheit: Haider war das schillernde Zentrum der Kärntner Politik – und wohl für mehr verantwortlich, als seine Wähler bisher dachten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 7. 8. 2010)