Coronakrise

Automarkt droht lange Durststrecke

Autoindustrie und Zulieferunternehmen müssen heuer mit massiven Einbußen rechnen.
Autoindustrie und Zulieferunternehmen müssen heuer mit massiven Einbußen rechnen. (c) REUTERS (Kai Pfaffenbach)
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Erst 2023 wird sich der Automarkt von der Krise erholt haben, glaubt VW-Aufsichtsratspräsident Pötsch. Miba-Chef Mitterbauer warnt vor einer Renationalisierung.

Wien. So schlecht wie der Hotellerie geht es der Autoindustrie in der Coronakrise nicht – aber deutlich schlechter als vielen anderen Wirtschaftszweigen. Das kann man daran erahnen, dass das deutsche Ifo-Institut am Dienstag davon sprach, dass „im dunklen Keller ein Licht angeht“, weil das Stimmungsbarometer der befragten Manager von minus 68,3 Punkten auf noch immer beachtliche minus 34,8 Punkte zurückging. Eine Studie der Beratungsfirma PwC Strategy& kann die Stimmung und die schlechten Aussichten in Zahlen fassen: Autobauer und Zulieferer werden heuer mit einem globalen Umsatzrückgang von 13 bis 24 Prozent rechnen müssen.

Und diese Durststrecke wird noch lang dauern, glaubt einer, der es wissen muss: Hans Dieter Pötsch, Aufsichtsratsvorsitzender des VW-Konzerns, des weltgrößten Autoherstellers. „Wir sollten 2022, möglicherweise 2023 wieder Niveaus sehen, die jenen der Zeiten vor Corona entsprechen oder sehr nahe kommen.“

Globalisierung wichtig

Pötsch weilte in seiner Funktion als Präsident der Deutschen Handelskammer in Österreich in Wien und versuchte, gemeinsam mit Peter Mitterbauer, Chef des oberösterreichischen Technologiekonzerns Miba, der etwa die Hälfte seines Umsatzes als Autozulieferer macht, „Wege aus der Krise“ aufzuzeigen. Die wichtigste Lektion für beide: offene Märkte. „Die Tendenz zu Protektionismus und Renationalisierung, die wir teilweise in der Krise gesehen haben, ist keine Lösung“, meinte Mitterbauer. Die globale Lieferkette habe nach anfänglichen Problemen erhalten werden können, die Globalisierung sei in dieser Zeit wichtig gewesen.

In Deutschland hänge jeder vierte Arbeitsplatz, in der Industrie sogar jeder zweite am Export, erklärte Pötsch. Auch Dienstleistungen würden länderübergreifend angeboten werden, eine Renationalisierung als Antwort auf die Wirtschaftskrise sei der falsche Weg. Globale Wertschöpfungsketten ermöglichten Effizienzgewinne unter anderem durch Standortvorteile, Spezialisierung und Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Nachbessern bei Hilfspaketen

Die enge wirtschaftliche Verknüpfung zwischen Österreich und Deutschland habe sich in der Coronakrise wieder gezeigt: So seien die Exporte von Österreich nach Deutschland und jene von Deutschland nach Österreich um jeweils exakt 14,7 Prozent eingebrochen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands sei im zweiten Quartal um 10,1 Prozent, jenes von Österreich um 10,7 Prozent zurückgegangen.

Gerade im Automobilsektor gebe es zwischen beiden Staaten eine enge Verbindung und Vernetzung. In der Zulieferindustrie werde die Lage für einige kleinere Betriebe mittlerweile kritisch, erklärte Pötsch. Die Politik habe in der ersten Phase der Coronakrise schnell reagiert und den Unternehmen geholfen. Aber gerade jetzt spitze sich die Situation aufgrund steigender Infektionszahlen wieder zu.

Daher müsse man sich fragen, „ob die derzeitigen Hilfsprogramme ausreichen“. Die Kapazitäten in der Industrie seien nicht ausgelastet, die Nachfrage etwa nach Autos sei schwach. Pötsch: „Meine Erwartung an die Politik ist, sich auf eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einzustellen. Meine Hoffnung ist, dass das Kind nicht erst in den Brunnen fallen muss, sondern sich die Politik frühzeitig auf den bevorstehenden Herbst und Winter vorbereitet.“ Kurz: Bei den Hilfspaketen müsse jetzt nachjustiert werden.

Erneuerung der Lkw-Flotte

Auf Nachfrage erläuterte der Präsident der Deutschen Handelskammer in Österreich, dass es etwa um die Möglichkeit gehe, Hilfen für einen Austausch des Fuhrparks zu bekommen. Die Lkw-Flotte in Europa sei teilweise alt, eine Erneuerung würde der Autoindustrie und der Umwelt nützen. Dafür könnte man finanzielle Mittel umschichten, die bisher nicht abgerufen wurden.

Miba-Chef Mitterbauer glaubt, dass die Situation so lang angespannt bleibt, solang es bei den Menschen Verunsicherung gebe – weil man sich etwa Sorgen um den Arbeitsplatz macht oder Angst vor einer Ansteckung mit dem Covid-19-Virus habe.

Bei Miba sind aktuell 2000 der weltweit 7000 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Eine Verlängerung der Kurzarbeit-Regelung bis Ende 2021, wie sie Deutschland plant, würde Mitterbauer „für manche Branchen“ auch in Österreich befürworten.

Pötsch lobte, dass man dank der Kurzarbeit gut funktionierende Arbeitsteams auch in der Krise zusammenhalten könne – gerade auch wegen des Fachkräftemangels sei das eine wichtige Maßnahme.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2020)

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