Covid-19

Bei der IFA in Berlin versucht man den Drahtseilakt

APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ
  • Drucken

Die diesjährige Berliner Technikmesse wird trotz der Corona-Pandemie stattfinden. Mit einem strengen Hygiene- und Hybridkonzept will man damit die Zukunft der IFA sichern. Eine große Herausforderung.

26 Hallen, ein voller Sommergarten mit Veranstaltungen und Konzerten, 2000 Aussteller und mehr als 250.000 Besucher. Das ist normalerweise die IFA auf dem Messegelände in Berlin in Zahlen. Doch aufgrund der Pandemie waren die Veranstalter gezwungen, ihr erprobtes Konzept beiseite zu schieben und die IFA völlig neu zu denken. Ein Massenevent ist unmöglich, maximal 5000 Menschen erlaubt die deutsche Bundesregierung derzeit. Die Technikmesse entdeckt erstaunlicherweise 2020 das Internet als Helfer in der Not.

Schon im Sommer kündigten die Veranstalter eine Hybrid-Messe an. Privatpersonen mussten völlig ausgeschlossen werden, nur 800 Journalisten wurden direkt von der IFA eingeladen, 300 konnten versuchen, sich zu registrieren. Veranstaltungen werden heuer direkt live ins Internet übertragen. Einige andere werden exklusiv für die Journalisten vor Ort sein.

Eine willkommene Abwechslung zu den Messejahren zuvor. Viele große Produktvorstellungen fanden meist vorab und fernab vom Messegelände statt. Subtile Grabenkämpfe, um der Konkurrenz die Medienpräsenz zu stehlen und dabei Journalisten quer durch Berlin zu jagen. Als würde das Messegelände mit einer vermieteten Fläche von 163.900 Quadratmetern dazu nicht ausreichen. Heuer findet vieles im virtuellen Raum statt, und die IFA selbst hat nur vier Messehallen für Aussteller geöffnet. Der Platz sollte für die nur 100 vor Ort präsenten Firmen ausreichen. Dabei hätte die Branche Grund zum Feiern.

Durch Corona ein Umsatzplus

Die Umsatzrückgänge der letzten Jahre sind durch die Pandemie gestoppt. Zwar konnten sich Fernseher und klassische Produkte der Unterhaltungselektronik nicht so gut verkaufen. Aber insgesamt verbucht die Branche ein Umsatzplus von fünf Prozent. Grund dafür: Die technisch notwendig gewordene Ausstattung im Home-Office.

Der längst tot gesagte PC-Markt, der tatsächlich durch Smartphones und Tablets ins Straucheln kam, erlebt eine unglaubliche Renaissance. Besser noch als das Support-Ende von Windows 7 Anfang dieses Jahres. Im zweiten Quartal 2020 konnte die großen PC-Hersteller teilweise fantastische Steigerungszahlen verzeichnen, wie eine Untersuchung des Marktforschungsunternehmens Gartner zeigt. Die Acer Gruppe konnte beispielsweise um 23,6 Prozent mehr PCs verkaufen als noch im zweiten Quartal 2019, Asus um 21,4 Prozent, bei HP betrug das Plus 17,1 Prozent und bei Lenovo – dem weltweit größten PC-Hersteller – 4,2 Prozent. Ein Trend, der nicht von langer Dauer sein wird.>>> Die Renaissance des PCs dank Coronakrise

Ein gewagtes Experiment

Die IFA hat einen wichtigen Stellenwert. Für Unternehmen, Händler und Journalisten ist es neben dem MWC die wichtigste Messe des Jahres. Es ist zudem der nicht so heimliche Startschuss für das Weihnachtsgeschäft. Hersteller inszenieren mit großem Aufwand ihre neuesten Produkte und Innovationen, die Hundert Tausende Besucher schon vor dem offiziellen Verkaufsstart angreifen und ausprobieren können. Mit dem gänzlichen Ausfall der IFA hätte also nicht nur die deutsche Messewirtschaft gelitten.

Die IFA ist die einzige Technikmesse, die heuer überhaupt stattfinden kann. Der Mobile World Congress in Barcelona wurde im Februar nach langem Zögern abgesagt. Die Ceatec in Japan und die Computex in Taiwan fanden ebenfalls nicht statt. 

Die IFA-Veranstalter versuchen also einen Drahtseilakt. Mit einem strengen Hygienekonzept sollen die Gefahren einer Ansteckung auf ein Mindestmaß reduziert werden. Teilnehmer wurden vorab gewarnt, dass über sie im Falle eines Infektionsclusters eine zweiwöchige Quarantäne verhängt werden kann, veranlasst von der deutschen Bundesregierung. Ein Szenario, das man im jeden Fall vermeiden will. So dürfen an den drei Messetagen maximal 750 Menschen zur gleichen Zeit in jeden der drei Veranstaltungsbereiche kommen. Große Ampeln signalisieren den Besuchern, ob sie eine Halle oder den Citycube betreten dürfen oder noch warten müssen. 

Gelingt das Experiment ähnlich gut wie bei den Salzburger Festspielen, könnte das die IFA und die gesamte Messebranche retten. In diesem Jahr wird die Coronazwangspause dürfte die deutsche Messebranche nach eigenen Schätzungen mindestens ein Viertel ihres Jahresumsatzes kosten. Mehr als 1 Milliarde Euro des Umsatzes, der sonst inklusive Auslandsgeschäft bei 4 Milliarden Euro liege, werde 2020 fehlen, sagt Harald Kötter, Sprecher des Verbandes der deutschen Messewirtschaft (AUMA).

Aber selbst wenn die Pandemie im nächsten Jahr eingedämmt ist und es einen wirksamen Impfstoff gibt, bleiben Fragen immanent: Wollen sich Hersteller, Händler und Käufer von Unterhaltungselektronik tatsächlich auf einem riesigen Messeplatz wie der IFA von Angesicht zu Angesicht treffen? Oder reicht eine digitale Bühne aus, um Innovationen der Branche zu verkünden und Geschäfte einzufädeln?

Wie spannend wird die diesjährige IFA?

Abseits aller Vorkehrungen und Maßnahmen: Die inhaltlichen Erwartungen an die IFA sind nicht besonders hoch. So hat Samsung, sonst ein treuer IFA-Aussteller, seine Teilnahme abgesagt und Innovationen wie die Neuauflage des Klapp-Smartphones Galaxy Z Fold 2 schon vorher verkündet. Die Deutsche Telekom verkündete im vergangenen Jahr noch auf einem riesigen Messestand in Halle 21a ihren Start des 5G-Ausbaus. Heuer wird die Farbe Magenta in den IFA-Hallen nicht zu sehen sein. Auch andere IFA-Daueraussteller wie Amazon, Lenovo, Philips, Sennheiser und Sony fehlen.

Mit an Bord sind dagegen unter anderem Branchengrößen wie der Chip-Riese Qualcomm, dessen Mikroprozessoren die Mehrheit der Android-Smartphones antreibt, der südkoreanische Samsung-Wettbewerber LG, die deutschen Haushaltsgerätehersteller BSH und Miele und der chinesische Smartphone-Gigant Huawei.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.