Quergeschrieben

Die Welt als Kindergarten mit hohem Risiko und wenig Freiheit

Jetzt sind praktisch weltweit die Zinsen ausgestorben, so wie einstmals die Dinosaurier. Das wird die Menschen verändern – leider eher zum Schlechten.

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Die meisten Österreicher pflegen nach wie vor ihre Ersparnisse auf Sparbüchern zu halten, so unvernünftig dies ökonomisch sein mag. Darüber, dass es seit Jahren zwar keine Zinsen, dafür aber Inflation und deshalb Jahr für Jahr ein Dahinschmelzen des Ersparten gegeben hat, haben sie sich in den meisten Fällen mit der Illusion getröstet, dass Nullzinsen eine Art kurzer Anomalie seien und es irgendwann wieder risikolose Erträge für Sparer geben werde.

Doch spätestens jetzt ist es Zeit, diese Illusion als das zu erkennen, was sie ist. Denn es wird immer klarer, dass es so etwas wie Zinsen in der überschaubaren Zukunft nicht mehr geben wird. Die Zinsen sind einfach abgeschafft worden. Sogar in den USA, wo es, anders als in Europa oder Japan, noch bis vor Kurzem Zinsen gegeben hat, sind sie nun praktisch verschwunden. Und mit der jüngsten Ankündigung der US-Notenbank, künftig die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit stärker zu beachten, dürfte das auch in Amerika endgültig besiegelt sein (weil steigende Zinsen in aller Regel schlecht für den Jobmarkt sind).

Den meisten Menschen dürfte gar nicht bewusst sein, was für eine dramatische Umwälzung hier stattfindet – und welche dramatischen Folgen das haben wird; weit über das Ökonomische hinaus. Herumgesprochen dürfte sich mittlerweile haben, dass deshalb eine enorme Umverteilung der Vermögen von den Sparern, denen so eine Quasi-Vermögenssteuer in der Höhe von etwa zwei bis drei Prozent pro Jahr aufgebrummt wird, hin zu den Staaten erzwungen wird, die so ihre Schulden leichter tragen können.

Mit dem Verschwinden des Zinses wird aber eines der wichtigsten Organe der Marktwirtschaft stillgelegt. Denn der Zins hat ja ökonomisch die Funktion, Risiko mit einem entsprechenden Preis zu versehen und so zu möglichst effizienten Investitionen zu führen. Wird er, wie jetzt eben, durch Eingriffe der Notenbanken ausgeschaltet, werden massenhafte Fehlinvestments die Folge sein. Wo Geld nichts kostet, wird es erfahrungsgemäß für jede Menge Unfug verwendet.

Am übelsten werden aber die Folgen dieser Politik auf das ganz grundlegende Wertesystem der Menschen sein. Denn Sparen – also Verzicht auf Konsum in der Gegenwart, um ein in der Zukunft liegendes Ziel zu erreichen – ist nicht nur eine ökonomische, sondern vor allem auch eine kulturelle Leistung.

Wer als Kind sparen gelernt hat, wird dadurch ertüchtigt, ganz unterschiedliche Probleme eines Menschenlebens besser zu meistern. Wer nichts anderes kennt als augenblickliche Befriedigung spontaner Bedürfnisse, wird eher in einem Stadium kindlicher Unreife verharren und mit Frustrationen auf jede Situation reagieren, in der das nicht möglich ist.

Wenn aber Sparen pönalisiert wird und der Sparer der Depp ist, wird die Aneignung dieser Kulturtechnik des Verzichts verschwinden und ein weiterer Schritt in Richtung einer infantilisierten Gesellschaft unternommen. Und in eine unfreiere Gesellschaft. Wenn das Sparen verschwindet, tritt an seine Stelle das Leben „vom Ersten zum Ersten“ ohne irgendwelche Reserven. In der Folge wird der permanente Kreditnehmer so zum Normalfall.

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