SuperMarkt: Das neue Wirtschaftswunder

SuperMarkt neue Wirtschaftswunder
SuperMarkt neue Wirtschaftswunder(c) EPA (Rolf Haid)
  • Drucken

Deutschland bejubelt das Ende der Rezession. Auch in Österreich übernimmt der Optimismus das Kommando. Tatsächlich zeigen viele Indikatoren nach oben. Wir halten die Daumen.

Nun ist es also geschafft: Das Licht am Ende des Tunnels scheint nicht mehr vom entgegenkommenden Zug zu sein, es dürfte sich tatsächlich um die wärmenden Strahlen der Sonne handeln. Nach den vielen niederschmetternden Nachrichten der vergangenen Wochen verdichten sich nämlich die Anzeichen, dass die ungewisse Fahrt durch das dunkle Loch endlich ihr Ende findet. Mit Deutschland feiert die größte Volkswirtschaft Europas jedenfalls schon recht ungeniert das Überwinden der Krise. Politiker sprechen vom neuen „Wirtschaftswunder“ und das kühle „Handelsblatt“ frohlockte vergangenen Freitag auf Seite 1: „Mit Neid und Bewunderung blicken Politiker, Manager und Ökonomen auf die kraftvolle Konjunkturerholung.“

Tatsächlich zeigen viele Indikatoren nach oben, auch in Österreich. Erst vor wenigen Wochen hat es sich Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) nicht nehmen lassen, die Konjunkturforscher von Wifo und IHS zu „overrulen“. Die österreichische Wirtschaft werde sich heuer nicht mit mickrigen 1,5 Prozent Realwachstum abspeisen lassen, es werden schon knapp zwei Prozent herausschauen. Was wiederum die vielen Hobby-Keynesianer erfreut in die Hände klatschen lässt: Nun zeige sich eben doch, dass es auch ohne sozialsadistische Sparprogramme geht, weil der Staat sehr wohl in der Lage ist, das Land mit schuldenfinanzierten Ausgabenprogrammen aus der Krise zu führen.

Hoffen, dass alles gut geht. Nun will derzeit niemand die tolle Partystimmung mit dem Hinweis darauf verderben, dass die Industrieproduktion sowohl in Deutschland als auch in Österreich noch immer unter dem Niveau des Jahres 2007 liegt. Auch will jetzt niemand etwas von den noch immer tickenden Bomben in den Bankbilanzen hören. Vielmehr ist kollektives Daumenhalten angesagt, mit der Hoffnung, dass die Optimisten auch wirklich richtig liegen mögen. Zu Recht, denn anhaltend gute Zahlen und einen kräftigen Aufschwung werden selbst jene Länder dringend benötigen, die heute vergleichsweise gut dastehen. Wie zum Beispiel Österreich. Einer jüngsten Modellrechnung der obersten Schuldenwächter des Landes zufolge dauert es nämlich bei gutem Wind bis 2029, realistischerweise aber bis 2063, um die Staatsverschuldung wieder auf Vorkrisenniveau zurückzuführen (siehe Grafik). Dazu müssten die Schulden von 80 Prozent der Wirtschaftsleistung auf 60 Prozent gekappt werden, womit auch die Zinsbelastung wieder unter Kontrolle gebracht wäre.

Inflation wirkt. Ein Unterfangen, das zu schaffen ist, falls konjunkturelle Rückschläge ausbleiben und die Finanzminister von einer moderaten Inflation unterstützt werden. Dank der Teuerung wird es kein großes Problem sein, das nominelle (nicht inflationsbereinigte) Wirtschaftswachstum über zwei Prozent zu halten. Das größere Kunststück wird aber sein, das jährlich anfallende Defizit unter das nominelle Wirtschaftswachstum zu drücken. Denn nur so wird Österreich seinen Schuldenberg abtragen können. Und davon ist das Land noch meilenweit entfernt.

Derzeit ist es nämlich so, dass Österreich selbst bei einem Wirtschaftswachstum von – völlig unrealistischen– sechs Prozent neue Schulden aufnehmen müsste. Weil sich die Staatsausgaben hierzulande nicht an den tatsächlichen Notwendigkeiten orientieren, sondern an den Wachstumsraten: Die Staatsausgaben wachsen aufgrund beschlossener Gesetze automatisch mit dem Wirtschaftswachstum mit, was wiederum zu einem „aufschwungresistenten Abgang“ führt, in der Fachsprache „strukturelles Defizit“ genannt. Laut IWF liegt diese Art des gesetzlich festgezurrten Abgangs hierzulande in der Gegend von vier Prozent des BIPs.

Die österreichische Staatsführung ist sich dessen voll und ganz bewusst. Und sie weiß auch, dass sie ohne die Zustimmung der Länder und Kommunen dieses strukturelle Defizit niemals aus der Welt schaffen kann.

Wenn hinter der nächsten Ecke aber nun tatsächlich der Aufschwung wartet, werden die Länder und Gemeinden freilich den Teufel tun, am mittlerweile völlig pervertierten Föderalismus auch nur ein Detail zu ändern. Schließlich werden sie für ihren unerbittlichen Regionalegoismus und die totale Reformverweigerung bald mit stark steigenden Zuwendungen aus dem Staatstopf belohnt, sollte das Wachstum tatsächlich anspringen.

(c) Die Presse / FE

Die Regierung wiederum wird sich die Hände nicht mehr mit unpopulären Reformen schmutzig machen, damit wenigstens in Zeiten der Hochkonjunktur keine neuen Schulden anfallen. Womit alles weiterlaufen wird, wie gehabt: Die im harten Wind des Wettbewerbs stehenden Bürger werden sich wieder abstrampeln, um jene Milliarden zu verdienen, die ihnen von der Bonzokratie abgeknöpft werden, um Verwaltungsposten zu finanzieren, die kein Mensch braucht, Frühpensionen zu bezahlen und ausgiebiges Studieren möglich zu machen. Damit erkauft sich die Regierung mit geliehenem Geld die niedrigste Arbeitslosenrate der EU, womit auch sie dem Wahlvolk ein kleines Wirtschaftswunder anzubieten hat. Respekt!

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2010)

Mehr erfahren

Verwaltungsgebaeude  der europaeischen Zentralbank in Frankfurt/Main (EZB)
International

Europas Wirtschaft um 1,7 Prozent gewachsen

Das Bruttoinlands-Produkt der EU ist im zweiten Quartal 2010 um 1,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gewachsen. Fünf Länder verzeichneten aber eine Rezession.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.