Quergeschrieben

Der Umgang mit der Neutralität bleibt weiter situationselastisch

Eine seltsame Geschichte: Entweder das Gesetz wird geändert und Österreich ist nicht länger militärisch neutral; oder es dürfen keine „fremden Truppen“ ins Land.

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Alle Augen sind seit Freitag auf die Corona-Ampel gerichtet, alle auch auf den Schulbeginn im Osten Österreichs am Montag. Man könnte das als Tunnelblick sehen, bei dem alle anderen Themen ausgeblendet werden. Das betrifft zum Beispiel die Landesverteidigung, also die äußere Sicherheit des Landes. Was sieht und hört man zum Beispiel von der Abfangjäger-Entscheidung, dem Schicksal der Eurofighter?

Etwas schon. Vor zwei Tagen wurde bekannt, dass das Bundesheer 21 Millionen Euro in die „Augen der Republik“, soll heißen in das System „Goldhaube“ und seine Stationen investieren werde, wie Verteidigungsministerin Klaudia Tanner ankündigte. Nur, was sind die Folgen, wenn die Augen nicht-kooperative Flugobjekte sehen und es keine effiziente Luftraumüberwachung gibt?

Über den Sinn der Investition vor den anderen Entscheidungen wird genauso wenig diskutiert wie über eine eher seltsame Ankündigung von US-Außenminister Mike Pompeo während seines Besuchs Mitte August in Wien. Bei einer Pressekonferenz freute er sich quasi im Nachsatz, dass die USA die Aufnahme Österreichs in das „State Partnership Program (SSP) der USA genehmigt haben. Dabei geht es um militärische Kooperation zwischen Bundesheer und der Nationalgarde der USA, der militärischen Reserve der US-Streitkräfte.

Jeff Fischer, ein pensionierter Oberst der US-Luftwaffe in Österreich, sprach von einem „mutigen Schritt“, der einen Wendepunkt (game changer) für Westeuropa sei und den man nicht unterschätzen könne. Doch, kann man sehr wohl.

Der gegenwärtige Tunnelblick verhinderte offenbar jede Diskussion darüber, was die militärische Zusammenarbeit im Licht der österreichischen Verpflichtung zur Neutralität bedeuten könnte. Werden dann Soldaten der Nationalgarde in entsprechender Adjustierung in Österreich bei Übungen auftreten? Gelten sie dann als „fremde Truppen im eigenen Land“, was per Staatsvertrag und neutralitätspolitisch eigentlich verboten ist?

Wie in so vielen anderen Bereichen zeigen sich auch hier ein schlampiger Umgang mit den rechtlichen Bestimmungen und eine Scheu vor sauberen Lösungen: Wenn die militärische Neutralität nicht mehr zeitgemäß ist, dann müsste das Gesetz geändert werden. Vor der Qual einer verpflichtenden Volksabstimmung (Gesamtänderung der Verfassung) scheut man jedoch zurück.

Das hat allerdings seit Jahrzehnten Tradition. 2001 hat der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) in seiner Rede zum Nationalfeiertag von den „alten Schablonen“ (Lipizzaner, Mozartkugeln und Neutralität) gesprochen, die nicht mehr taugten. Er forderte auf, über Identität und Selbstbild Österreichs „jenseits von Nostalgie“ nachzudenken. In den folgenden Jahren hat seine Regierung darauf wieder vergessen.

Anfang 2004 stellte Bundespräsident Thomas Klestil die Neutralität in Frage und niemand suchte eine Antwort. Stattdessen wird der Begriff bis zur Unkenntlichkeit ausgehöhlt, jeder eventuelle Verstoß mit allen möglichen Argumenten wie humanitärer Einsatz oder Expertise der österreichischen Gebirgskampftruppe (SSP) kleingeredet.

Man ersparte sich einfach jede weitere Erklärung und somit jede öffentliche Diskussion. Die ehemalige Botschafterin in den USA, Eva Nowotny, findet das bei den Verwerfungen und den ungewissen Entwicklungen in den USA „gerade jetzt dubios“. Worin besteht der Vorteil einer verstärkten militärischen Zusammenarbeit für Österreich?

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