Auch in Österreich gibt es eine Plastik-Krise und zu viele brandgefährliche Produkte im Restmüll, warnt Gabriele Jüly, Präsidentin der Entsorgungsbetriebe.
Glaubt man der Chemieindustrie, ist Kunststoff der große Sieger der Coronakrise – Stichwort Verpackungen und Mund-Nasen-Schutz. Erste Forscher warnen bereits davor, dass sich Corona zur Plastik-Pandemie auswachsen könnte. Sehen Sie das für Österreich auch?
Gabriele Jüly: Nein. In den ersten Wochen des Lockdowns haben die Haushalte zwar um ein Fünftel mehr Müll produziert, weil alle daheim waren und ausgemistet haben. Aber das hat sich inzwischen normalisiert. Der Mund-NasenSchutz ist meine letzte Sorge. Der hat kein Gewicht, gehört in den Restmüll und wird verbrannt. Bei der Industrie fällt sogar weniger Kunststoffmüll an als sonst, weil viel weniger produziert wird. Aber trotzdem haben wir auch in Österreich ein Kunststoff-Problem.
Wie sieht das aus?
Die Entsorgungswirtschaft in Österreich lebt vom Recycling. Wir verarbeiten etwa Kunststoffabfälle und produzieren daraus hochwertige Sekundärrohstoffe. Aber die Industrie kauft diesen recycelten Kunststoff zur Zeit nicht. Wenn Rohöl so billig ist wie heute, haben die Hersteller kein Interesse mehr, Sekundärrohstoffe einzusetzen. 70 Prozent aller heimischen Betriebe in dem Bereich mussten bereits den Betrieb einstellen. In meinen Augen ist das schizophren: Da redet ganz Europa davon, dass man Kunststoff getrennt sammeln und wiederverwerten soll – und dann will es niemand haben.