Premiere am Akademietheater. Die antike Tragödie sei kein „Tatort“, kritisiert Dramatiker Thomas Köck die Tendenz zu „küchenpsychologischer“ Aktualisierung: Ein Gespräch über sein neues „Antigone“-Stück und angeschwemmte Tote.
Die Presse: Gegenwartsprobleme sind in Ihren Stücken sehr präsent. Warum greifen Sie jetzt auf Sophokles' „Antigone“ zurück?
Thomas Köck: Mir ging es immer eher um grundsätzliche Fragen. Auch bei meiner „Klimatrilogie“ hat mich ursprünglich die Frage nach dem Verhältnis von Natur, Kultur und Ausbeutung beschäftigt, und wo diese Ausbeutung Spuren hinterlässt. Dabei kamen aktuelle Fragen hoch. Und in einer chaotischen Gegenwart tut es ab und zu gut, sich die Spuren anzusehen, die dorthin führen.
Welche fundamentalen Fragen haben Sie also hier interessiert? Bei Sophokles will Antigone gegen das Verbot ihres Onkels Kreon ihren Bruder Polyneikes bestatten. Bei Ihnen geht es nicht um diesen einen Toten, sondern um viele Tote, die das Meer anschwemmt.
Die Frage nach dem Umgang mit den Toten war mein Zugang zum Text – und wer und was unsere demokratischen Werte legitimieren. Welche Toten werden betrauert, wer entscheidet darüber? Wer trauert um die Menschen, die im Kühltransporter gefunden wurden? Macht Europa einen Gedenktag für die Toten im Mittelmeer? Die Gedenkdemo für die Ermordeten in Hanau wurde wegen Corona abgesagt, zugleich wurde die Coronademo zugelassen . . . Was ist mit den Menschen, die jetzt an Covid-19 sterben? Auch im Zusammenhang mit „Black Lives Matter“ merkt man: Trauer ist eine wahnsinnig politische Sache.