Mit Federn, Haut und Haar

Warum man eine reife Zivilgesellschaft braucht und wie man sie baut

Koste es, was es wolle – es braucht ein kompromissloses Augenmerk auf Bildung, damit Kinder zu verantwortlichen Trägern von Zivilgesellschaft heranwachsen können.

Ein Leser kritisierte meine Verwendung des Begriffs Faschismus: „Der gehört in sein historisches Ambiente (Italien und Deutschland 1930–1945). Alltagsfaschismus ist . . . ein Missbrauch des Worts, zeittypisch dabei das Absehen vom historischen Ambiente . . . Unbildung produziert intolerante, woke Besserwisserei.“ Ja eh, aber als „faschistoid“ bezeichnet man heute eben generell eine Vorliebe für starke Männer, für das allzu Nationale, für Gewalt und Ausgrenzung. Historisches Wissen und Ratio sind dazu unnötig; Bauchgefühl und Konformismus mit dem Umfeld reichen völlig. Ein solches Gefühl kann dann sekundär zur (neo-)faschistischen Ideologie rationalisiert werden. Aus dem heutigen Wissen um die Wechselwirkungen zwischen bewusstem Denken und Affekten darf man aber annehmen, dass in der Regel eher „Bauchgefühle“ rationalisiert werden, denn umgekehrt.

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Ungeheuerlich eigentlich, dass ich hier den Primat der Ratio infrage stelle. Dies bedeutet etwa, dass es zwar nützlich, aber nicht hinreichend sein wird, Leute einfach in Ethikunterricht zu stecken, um aus potenziellen Alltagsfaschisten lupenreine Humanisten zu machen. Dazu braucht es vielmehr den breiten gesellschaftlichen Wandel. Es liegt klar auf der Hand, warum reife Zivilgesellschaften und Demokratien den Menschen am besten gerecht werden und an Problemlösungsfähigkeit starken Männern und autokratischen Systemen haushoch überlegen sind. Die Begründung dafür findet sich unter anderem in meinem letzten Buch (Residenz 2020). Aber wie gesellschaftliche Verhältnisse verbessern? Für dieses Langzeitprojekt braucht es vor allem offene, neugierige, sozial kompetente, aktiv und passiv kritikfähige, selbst- und allgemeinwohlverantwortliche, gebildete Menschen. Wir wissen längst, welche Bedingungen es Kindern ermöglichen, sich optimal zu entwickeln.

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