Unsere neue Gründerzeit hat aus den Fehlern der alten nichts gelernt: Beobachtungen in Transdanubien. Von Wolfgang Freitag
Ein heißer Spätnachmittag in diesem Sommer. Mit einer Gruppe, geführt von den Architectural Tours Vienna, stehe ich in der Seestadt Aspern, genauer in einem ihrer umstrittensten Teile: der sogenannten Slim City. Und wer bei „Slim“ an die Slim-Fit-Herrenmode der jüngeren Vergangenheit denkt, diese Sakkos, Hemden, Hosen, die stets den Eindruck erwecken, der Betreffende habe irrtümlich Bekleidung des jüngeren, kleineren, schlankeren Bruders erwischt, der hat auch schon das rechte Bild im Kopf. Dieser Seestadt-Stadtteil, geplant von PPAG-Architekten, scheint aus allen Nähten zu platzen, wie sich hier Gebäude an Gebäude drängt, dass es einem auf den ersten Blick den Atem nimmt. Einen zweiten versucht die Fachfrau der Architectural Tours zu öffnen: jenen auf die raffinierte Ordnung, die den scheinbar willkürlich in- und gegeneinander geschobenen Wohnblöcken innewohnt, auf den Versuch, jeder Wohnung unterschiedliche Perspektiven – und damit Gegenlüftungsmöglichkeiten – zu öffnen, auf den Sinn dreieckiger Balkone genauso wie jenen der schmalen Freiflächen und den Nutzungsmix, den sie bieten. Der Tenor ihrer Zuhörer wird später dennoch lauten: Hier möcht’ man nicht einmal begraben sein.
„Die Städte werden dichter, keine Frage“, erläuterte PPAG-Architektin Anna Popelka zwei Jahre nach Fertigstellung, 2017, in der „Presse“. Womit sie recht hat. Und dennoch, eine Frage muss erlaubt sein: nämlich die nach dem Warum. ...
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23 Thesen zu Wien
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