Morgenglosse

Britische Reputation brennt gut

APA/AFP/TOLGA AKMEN
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Der nonchalante Umgang Londons mit dem Brexit-Vertrag beschädigt Großbritanniens Ansehen.

„Abwarten und Tee trinken“ zählt zu den langweiligsten Kalendersprüchen, mit denen man seine Mitmenschen traktieren kann. Wer auf diesen Metternich unter den Binsenweisheiten hört, mobilisiert die Kräfte der Beharrung und vertraut auf die zersetzende Wirkung des Faktors Zeit, anstatt der Dynamik der Ereignisse zu folgen. Reaktionärer geht's nimmer.

Beim Brexit müssen wir jetzt allerdings über unsere Schatten springen und nach der Kanne English Breakfast greifen. Die jüngsten Ideen der Regierung in London zum einseitigen Ausstieg aus Teilen des bereits unterzeichneten EU-Austrittsabkommens, die laut britischen Medien morgen veröffentlicht werden sollen, klingen derart krass, dass sie nur zwei Schlüsse zulassen: Entweder will Premier Boris Johnson alle Brücken nach Europa abfackeln, oder er stellt eine Nebelwand auf, hinter der die Verhandlungen über das künftige Verhältnis zur EU finalisiert werden und der Boden für Kompromisse bereitet wird.

Johnson hantiert in beiden Fällen mit Feuer – und verwendet die Reputation des Vereinigten Königreichs als Brennstoff. Bewahrheitet sich Fall eins, wird London zum internationalen Paria. Doch selbst bei der harmloseren zweiten Variante wird der Ruf in der EU nach möglichst umfassender Absicherung im Umgang mit den Briten zwangsläufig lauter werden. Was trifft zu? Die Wahl der Qual findet unter Ausschluss Europas in der Downing Street 10 statt. Wir können nur abwarten. Und eh schon wissen . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2020)

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