Nach dem Giftanschlag auf Alexej Nawalny wankt das Projekt Nord Stream 2 – zumindest ein bisschen. Nachrufe wären aber trotz eines jüngsten Kurswechsels von Kanzlerin Merkel verfrüht. Vier Fragen und Antworten zur Gaspipeline in der Ostsee.
Berlin.Alexej Nawalny ist aus dem künstlichen Koma erwacht. Berlins berühmtester Patient „reagiert auf Ansprache“. Langzeitfolgen der schweren Vergiftung kann sein Ärzteteam an der Charité-Klinik aber nicht ausschließen. Die Nachricht vom verbesserten Zustand des Kreml-Kritikers platzte am Montag in die Debatte darüber, welche Sanktionen Berlin und Brüssel im Fall Nawalny verhängen könnten. Und in dieser Diskussion ist ein Tabu gefallen.
Bisher galt: Egal, wie frostig das Klima zwischen Berlin und Moskau ist, das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 wird von Angela Merkel (CDU) nicht infrage gestellt. Das eine ist die Politik, das andere ein privatwirtschaftliches Projekt: So lautete das Credo der Kanzlerin vor zwei Wochen. Doch nun rückt Merkel von dieser Strategie ab. Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte am Wochenende Nord Stream 2 mit dem Fall Nawalny verknüpft. Und Maas' Haltung ist auch die der Kanzlerin, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag erklärte. Und das ist eben neu. Auch wenn Nachrufe auf die Pipeline sehr verfrüht sind und der Regierungssprecher betonte, dass konkrete Sanktionen noch gar kein Thema seien.
1. Wie ist der Stand der Bauarbeiten von Nord Stream 2?
Es fehlen 160 Kilometer. Das ist nicht viel angesichts der gewaltigen Dimensionen des Projekts. 1230 Kilometer Länge misst die Pipeline, die von Russland über den Meeresboden der Ostsee nach Lubmin im deutschen Mecklenburg-Vorpommern verlaufen soll. 9,5 Milliarden Euro kostet das Projekt einer Gazprom-Tochter, das zur Hälfte von fünf westeuropäischen Investoren finanziert wird, darunter auch der OMV. Eigentlich sollten schon ab Anfang 2020 jährlich zusätzlich 55 Milliarden Kubikmeter Gas durch die Ostsee gepumpt werden. Doch dann kippten angedrohte US-Sanktionen den Zeitplan. Schweizer Verlegeschiffe reisten ab. Und deshalb stapeln sich im deutschen Hafen Sassnitz die Rohre für den letzten Abschnitt, der großteils durch dänische Gewässer führt.