Uni-Professorin: "Ich führe keinen Statuskampf"

Professorin fuehre keinen Statuskampf
Professorin fuehre keinen Statuskampf(c) Fabry
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Christiane Spiel vom Österreichischen Professorenverband beklagt den Bürokratisierungs-Schub an den Unis und erklärt, warum Uni-Professoren nicht böse sind.

Der Chef der IG Lektoren, Claus Tieber, sagt: Die Professoren haben an österreichischen Universitäten einen Stellenwert, der ihnen überhaupt nicht zusteht. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?
Christiane Spiel: Ich weiß nicht, auf Basis welcher Daten das gesagt wird. Ich habe manchmal den Eindruck, der Vorwurf ist ein bisschen tradiert und hat nichts mit der Realität zu tun.

Der Hochschulforscher Hans Pechar sagt: Die hierarchischen Abstufungen zwischen den Statusgruppen sind zu steil, der Statuskampf zwischen Professoren und dem Rest des akademischen Personals sorgt für viel Unruhe und Frust.
Spiel: Das sehe ich überhaupt nicht. Ich führe keinen Statuskampf, meine MitarbeiterInnen führen auch keinen. Ich weiß nicht, von welchem Bild das kommt. Denn: Rechte hat man als ProfessorIn kaum mehr welche und die Universität gibt einem ja auch keine Ressourcen zur Forschung. Ich sehe es als ein Hauptanliegen, viele Drittmittel einzuwerben, denn damit kann ich auch vielen qualifizierten, jungen Menschen die Möglichkeit geben, zu promovieren und sie bei gemeinsamen Publikationen unterstützen. Ich frage mich immer wieder, wenn ich wo lese, die Professoren sind böse, sind so mächtig und behandeln ihre MitarbeiterInnen schlecht, auf welcher Datenbasis das beruht.

Ministerin Karl überlegt die Einführung eines Faculty-Modells. Der Professorenverband hat sich heftig dagegen ausgesprochen. Was ist per se schlecht an einem einheitlichen Berufsstand?
Spiel: Ich bin für ein Laufbahnsystem. Das Problem ist nur, es ist nicht so leicht, Systeme von anderen Ländern zu übernehmen, noch dazu, wo sie häufig einseitig übertragen werden. Was das Laufbahnsystem betrifft, ist die Frage: Ist man in Österreich so weit, dass man Leuten, die die Anforderungen an einen Universitätslehrer nicht erbringen, das auch klar sagt und entsprechende Konsequenzen zieht. Oder bekommen diese, weil es unangenehm ist eine negative Entscheidung zu treffen, trotzdem eine Dauerstelle. Das ist die Gefahr. Ein Laufbahnmodell müsste so gehandhabt werden, dass es nicht wieder zu einem Automatismus kommt, wie es früher der Fall war, und dass die Universität zubetoniert wird.

Lektoren-Chef Tieber beklagt, dass in Österreich kürzlich viele Professorenstellen nachbesetzt wurden, und diese für die nächsten zwanzig Jahre zu sind - ohne Chancen für junge Wissenschaftler.
Spiel: Man muss eines sehen: Wenn ich eine Professur ausschreibe, ist meine Intention, jemanden zu bekommen, der wirklich besonders gut ist. Und um die wirklich guten Leute gibt es in der internationalen scientific community einen Wettkampf. Wenn jemand sagt, er geht nicht mehr weg, muss man zweifeln, ob diese Person wirklich so gut war. Es muss um Leistung gehen.

Befürworter des Faculty-Modells nennen genau das als Stärke: Dass es um Leistung geht, und nicht mehr um Ansprüche darauf.
Spiel: In dem Augenblick, wo wir in einer Expertenorganisation, die auf Leistung und Kompetition ausgerichtet ist, sagen, wir sind alle gleich, kann das nicht stimmen und wird auch längerfristig nicht funktionieren. Ich bin sofort dafür, Laufbahnstellen einzurichten, aber: Wenn wir nur Laufbahnstellen hätten, würden wir nie internationale Topleute holen können, weil wir nie eine Professur ausschreiben. Daher brauchen wir hier einen vernünftigen Mix.

Serie: Zur Zukunft der Universität

Gesprächspartner aus dem Uni-Sektor haben in der DiePresse.com-Serie ihre Visionen für die österreichischen Universitäten skizziert. Alle Gespräche zum Nachlesen.

Zu einem anderen Thema: Wenn es um die sogenannten Massenfächer geht, ist ein Lösungsansatz, den etwa die ÖH nennt, die Schnittstelle zur Schule zu optimieren. Reicht das, um die Studierendenströme besser zu lenken?
Spiel: Ich glaube, das ist zu wenig. Die Schule schafft es derzeit offensichtlich nicht, für gewisse Fächer und Bereiche ein entsprechendes Interesse zu wecken. Bei den Zusatzfragen zur Pisa-Studie wird etwa gefragt, für wie wichtig die SchülerInnen Naturwissenschaften halten und ob sie denken, dass sie sie im Leben brauchen werden. Bei den 15-Jährigen liegt Österreich hier ganz schlecht. Das heißt, wir brauchen Maßnahmen, die bei der LehrerInnen Aus- und Weiterbildung ansetzen um entsprechendes Interesse zu wecken und fördern. Aber auch Maßnahmen an den Universitäten, die Information mit Anforderung und Leistung verknüpfen.

Sie spielen auf Aufnahmeverfahren an. Denken Sie als Psychologin, dass etwa der Test für Psychologie wirklich die fähigsten und besten Studierenden aussiebt?
Spiel: Die Grundphilosophie ist sinnvoll. Denn wir blicken nicht zurück in die Vergangenheit, was ja zum Beispiel bei Medizin der Fall ist. Da sind diejenigen, die in der Schule noch gar nicht wussten, was sie später studieren wollen, benachteiligt. Wir zeigen wie das Studium aufgebaut ist und was im Studium verlangt wird. Das ist völlig transparent, da auch die Lernunterlagen bekannt sind. Damit ist diese Prüfung eine Art Arbeitsprobe. Wenn man Tests verwendet, die in die Zukunft schauen, muss man für das Studium ein Anforderungsprofil und ein Absolventenprofil formulieren. Das Studium stellt dann quasi die Brücke zwischen beiden Profilen her.

Soll das trotzdem mit einer fixen Anzahl von Plätzen einhergehen?
Spiel: Ich halte eine fixe Quote für problematisch, auch wenn sie bei Massenfächern nachvollziehbar ist. Meiner Ansicht nach sollten alle, die diese Arbeitsprobe positiv bewältigen, die Chance haben das Studium zu beginnen. Das sind eben in einem Jahr mehr und im nächsten Jahr weniger. Das ist natürlich schwieriger zu handhaben, aber es wäre für die Studierenden fairer.

Wie könnte man die Unis aus der Misere führen, ohne immer nur mehr Geld zu verlangen?
Spiel: Gar nicht so leicht, denn wir haben wirklich zu wenig Geld. Es gibt aber auch einige Sachen, die die Universitäten selber machen können: Noch einmal ihre Studien durchforsten, zum Beispiel. Manche Rektoren erwägen derzeit, nicht mehr alle Fächer an allen Standorten anzubieten. In Deutschland ist es etwa sehr gebräuchlich, dass man Joint Programme anbietet, wo ein Schwerpunkt an der einen Uni und der andere an einer anderen ist. Auch die Verwaltung könnte man etwas herunterfahren; wir erleben derzeit einen Kontrollierungs- und Bürokratisierungsschub. Wir brauchen mehr wechselseitiges Vertrauen auf allen Ebenen. Das spart einerseits Zeit und Ressourcen und schafft andererseits eine Kultur, wo man sich wohler fühlt.

Ich würde Sie bitten, kurz eine Vision zu formulieren: Wie soll der Hochschulsektor in zehn Jahren aussehen?
Spiel: Ich würde mir wünschen, dass die unterschiedlichen Institutionen (Universität, FH, PH, Anm.) definieren, wofür sie stehen, ihre Mischung und ihre Abgrenzung. Auch in der Lehrer- und Lehrerinnenausbildung muss dringend etwas geschehen. Diese ist im universitären Sektor vernachlässigt worden. Die TU München hat beispielsweise eine eigene Fakultät für Pädagogik gegründet. Sie haben gesagt: Wie müssen die LehrerInnenausbildung so gut machen, dass wir später garantiert gute Studierende haben. Man muss langfristig planen und viel zukunftsorientierter sein, was die Planung von Studien betrifft, die Vernetzung mit den Schulen und natürlich auch die Kooperation zwischen den Universitäten. Es ist hier sinnvoll, dass man einander mit Schwerpunkten und Ausbildungsgängen ergänzt. Und dann bräuchten wir auch eine stärkere Vernetzung mit der Wirtschaft - wo es nicht nur um Auftragsforschung geht, sondern wo Universitäten sagen: Diese Themen wollen wir beforschen. Es kann etwas für die Wirtschaft herauskommen, aber es ist nicht sicher. Da haben wir derzeit nicht sehr viel Kultur.

Wovon hängt die Zukunft der Unis am meisten ab? 
Spiel: Die Bildungsforschung sagt: von den handelnden AkteurInnen an der Spitze. Wenn die Entscheidungen an der Spitze gut getroffen sind und mit entsprechenden Strategien und Maßnahmen nach unten wirken, dann ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass es funktioniert. Die TU München war eine durchschnittliche Universität. Ihr Präsident, Professor Herrmann, hat es geschafft, sie zu einer Exzellenzuni zu machen. Es wird sehr wichtig sein, wer solche Positionen inne hat.

Zur Person

Christiane Spiel begann ihre Karriere als Gymnasiallehrerin für die Fächer Mathematik und Geschichte. Parallel studierte sie Psychologie. Seit März 2000 ist Spiel Professorin an der Universität Wien, seit 2006 leitet sie den Arbeitsbereich Bildungspsychologie und Evaluation am Institut für Psychologie. Spiel ist im Vorstand des Österreichischen UniversitätsprofessorInnen-Verbands.

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